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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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jovial mit einem halb vollen Weinglas zu, so schien es ihm zumindest. Die ganze Szenerie wirkte im diffusen Licht der hereinbrechenden Dunkelheit zusehends unwirklich auf ihn. Korber überlegte kurz, dann winkte er matt hinüber und ging weiter.
    Die Musik dröhnte in seinen Ohren. Nun sah Korber Max Fürst auf sich zueilen. Hastigen Schrittes, das Gesicht starr geradeaus, ging er an ihm vorbei, wohl zum ›Engelbrecht‹, um seinen Sohn Oskar zu holen. Korber drehte sich um. War es wirklich Max Fürst? Er wusste es jetzt nicht mehr genau zu sagen. Irgendwo am anderen Gehsteig war die Gestalt verschwunden, von der er sich gerade noch so sicher gewesen war, dass es sich um Oskars Vater handelte.
    Korber sah die Konturen vor seinen Augen verschwimmen. Er brauchte eine Ortsveränderung, sonst wurde er hier noch verrückt. Die Szenen liefen wie in einem Traum ab, in dem er ein Zuseher war, der nicht mitspielen durfte.
    Jetzt stand plötzlich die Bauer-Geli wie ein Schutzengel vor ihm, der seine Flügel ausbreitete, um ihn vor einer Dummheit zu bewahren.
    »Was machen denn Sie hier, Herr Professor?«, fragte sie. »Haben Sie denn morgen keinen Unterricht?«
    »Doch, doch, aber hör mal: Es ist ja noch nicht spät«, entgegnete Korber. »Und getrunken habe ich auch nicht viel«, sagte er beinahe stolz.
    »Na, ich weiß nicht. Ein bisschen merkt man es schon. Und beinahe wären Sie noch beim Meixner hineingefallen.«
    »Das hast du gesehen?« Korber drohte scherzhaft mit dem Zeigefinger. »Hat dich vielleicht der Leopold geschickt, dass du auf mich aufpassen sollst?«
    »Nein«, lachte Geli, »ganz bestimmt nicht.« Dann erzählte sie, dass sie sich mit zwei Freundinnen auf ein ›schnelles Gläschen‹ verabredet, dann aber verplaudert hatte. »Und jetzt sind Sie mir über den Weg gelaufen. Ich kenn Sie halt schon und weiß, wann Sie in einer gewissen Stimmung sind, wo es besser ist, Sie gehen nach Hause. Außerdem ist morgen Montag, und da fällt das Aufstehen bekanntlich am schwersten.«
    »Darf ich dich trotzdem noch auf ein Achterl einladen?«, machte Korber ein Angebot.
    Aber das gefiel dem Schutzengel weniger. »Ein andermal«, sagte Geli. »Ich glaube, für uns beide ist es das Beste, wenn wir den Sonntag in Ruhe ausklingen lassen. Auf Wiedersehen und gute Nacht.« Da sie wusste, dass Korber in solchen Angelegenheiten äußerst hartnäckig sein konnte, drehte sie sich auf dem Absatz um und ging.
    Schnell war sie fort, verschwunden, so schnell, wie sie aufgetaucht war. Korber atmete die frische Abendluft ein und spazierte unentschlossen weiter. Was heißt spazierte? Er taumelte, getrieben von einer inneren Unruhe. Er war auf der Jagd nach etwas Unbestimmtem. Nach Maria? Nach Liebe? Nach Glück? Nach Stillen seines Verlangens? Er wusste es nicht.
    Er griff zu seinem Handy und rief Maria an, ohne die Sinnhaftigkeit seiner Handlung zu hinterfragen. Aber Maria hob nicht ab. Es war der Fluch der modernen Kommunikation, dass man theoretisch jeden immer und überall erreichen konnte, dafür jedoch umso enttäuschter war, wenn dies nicht geschah. Korber wollte die Leere in sich vertreiben. Er hatte das immer stärkere Bedürfnis, mit jemandem zu reden. Aber mit wem?
    Da spürte er den Zettel, den er noch immer in seiner linken Hosentasche hatte. Er erinnerte sich, zog das zusammengefaltete Stück heraus, öffnete es. Er las nochmals Ingrids Namen, Telefonnummer und Adresse sowie das verführerische ›Ruf mal an‹. Beinahe klang es wie eine Werbung für billigen Telefonsex, trotzdem fühlte sich Korber von der Botschaft auf merkwürdige Weise angezogen. Ohne lange nachzudenken wählte er Ingrids Nummer.
    Diesmal war jemand am anderen Ende der Leitung. »Hallo?«, hörte er.
    »Ingrid?«
    »Ja.«
    »Hier spricht Thomas. Thomas Korber.«
    »Ach ja, der Lehrer. Der Freund von Maria.«
    Täuschte er sich, oder war da ein verächtlicher Ton in ihrer Stimme? Und warum sagte sie ›Freund‹ und nicht ›Kollege‹? Egal. »Ist Maria bei dir?«, fragte er.
    »Nein.«
    »Bist du zu Hause?«
    »Ja.«
    Sie war so einsilbig, dass Korber nur schwer in Fahrt kam. Trotzdem erhoffte er sich irgendetwas von einer Begegnung mit ihr. »Ich war gerade ein bisschen unterwegs«, sagte er schließlich. »Und jetzt spaziere ich eben so durch die Gegend und habe gedacht, ich rufe einmal an. Ich bin nämlich gar nicht weit weg von dir.«
    Schweigen am anderen Ende der Leitung.
    »Ingrid, ich glaube, wir sollten miteinander reden.«
    »Meinst

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