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Karambolage

Karambolage

Titel: Karambolage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Bauer
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du?«
    »Ja.«
    »Dann komm doch einfach vorbei und läute an.«

     
    *
    Thomas Korbers Laune hatte sich sprungartig gebessert. Leopold hatte ihn zwar vorhin angerufen und wieder einmal mit ihm geredet wie mit einem kleinen Schuljungen, aber er hatte ihm klargemacht, dass er sein eigener Herr war, der tun und lassen konnte, was er wollte, und dieses ständige Herumkommandieren nicht nötig hatte. Warum war Leopold nicht hiergeblieben? So einfach in die Steiermark zu seinem Freund abzuhauen und ihm jetzt Befehle zu erteilen war nicht fair. Korber schaltete sein Handy aus. Er konnte nun tun und lassen, wie ihm beliebte, ohne die Angst, sich ständig rechtfertigen zu müssen.

    Er war neugierig auf Ingrid. Was für ein Wesen mochte sie privat sein? Und dann wollte er gerne wissen, was es mit ihr und Maria tatsächlich auf sich hatte. Er musste ein für alle Male klären, ob er sich bei Maria noch etwas erhoffen durfte. Es fiel ihm schwer zu akzeptieren, dass es da nichts gab, gar nichts, außer vielleicht ein bisschen Sympathie.
    Korber litt. Obwohl er es niemandem gegenüber zugegeben hätte: Mehr als je zuvor sehnte er sich nach einem weiblichen Körper, der die Anspannung von ihm nahm, ihn Wärme fühlen ließ und ihm Vertrauen schenkte.
    Während er ausschritt, produzierte sein Hirn großartige Dialoge zwischen Maria, Ingrid und ihm, die ganz unterschiedlich abliefen. Einmal war Maria einladend, dann wieder abweisend, einmal sanft, dann wieder grob, einmal standen die Dinge gut, dann wieder aussichtslos. Dann mengte sich Ingrid ein, und er fühlte sich auf eine magische Art von ihr angezogen. Die Stimmen verfolgten ihn die ganze Zeit, so, als liefen sie ihm nach, um ihn irgendwo in einem gottverlassenen Winkel zum Kampf zu stellen. Die Geräusche der Wirklichkeit traten in den Hintergrund und ließen sich bald nicht mehr von diesen Träumen unterscheiden. Irgendwann bildete er sich kurz ein, jemand ginge ihm nach, doch er verwarf diesen Eindruck schnell wieder.
    Mit einem Mal stand Korber vor dem Haus, in dem Ingrid wohnte. Die Stimmen waren weg, wie wenn er sie mit einem Schalter abgedreht hätte. Er läutete an der Gegensprechanlage.
    »Hallo?«
    »Ich bin’s, Thomas.«
    Der Türöffner summte. Ingrids Wohnung lag gleich im Erdgeschoss. Die Türe war einen Spaltbreit offen. Korber zögerte kurz, dann trat er ein. Von einem Radio kam leise Musik.
    »Hier bin ich«, hörte er aus dem kleinen, notdürftig zusammengeräumten Wohnzimmer. Ingrid saß in einer improvisierten Sitzecke und rauchte eine Zigarette. »Komm nur herein«, sagte sie.
    Korber sagte »Hallo« und warf einen Blick hinein. Gegenüber von Ingrid war ein Verbau in der Wand mit Fernseher, PC und Stereoanlage, daneben Regale mit Büchern, unter ihnen eine schmale Couch, auf der sich Wäsche türmte. Bücher, Papiere und Notizen lagen, zusammen mit einigen CDs, überall herum. Vorhänge, Tischtuch, Tapete – alles schillerte in den buntesten Farben.
    Korber zog aus Gewohnheit die Schuhe im Vorraum aus. Dabei streifte seine Schulter eine Jacke – eine schmutzige, dunkle Regenjacke. Er hielt einen Augenblick inne. Täuschte er sich, oder war sie um eine Spur größer als die Kleidungsstücke, die sonst hier herumhingen?
    »Was hast du?«, fragte Ingrid. »Warum kommst du nicht?«
    »Nichts«, sagte Korber. »Gar nichts.« Er ging hinein und schüttelte ihre feuchte Hand.
    »Setz dich. Du willst mit mir reden?«
    »Ja! Du etwa nicht?«
    Ingrid zögerte ein wenig. »Kann sein«, sagte sie dann.

    »Kann sein? Warum hast du mir dann gestern deine Telefonnummer und Adresse gegeben?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Einfach so. Ich wollte sehen, wie du reagierst.«
    »Also schön. Ich möchte mit dir über Maria reden.«

    »Ich weiß«, bemerkte Ingrid trocken. »Du willst sie haben.«
    »Ich … so kann man das nicht sagen. Ich mag sie eben.«
    »So, so, du magst sie eben. Mehr ist da nicht, nur das freundschaftliche Verhältnis von Kollege zu Kollegin. Möchte nur wissen, warum du dann so eingeschnappt bist, wenn ich zu euren ›freundschaftlichen‹ Treffen – oder sogar nachher – erscheine.«
    »Ingrid! Ich möchte zumindest eine Chance haben, Maria näher kennenzulernen.«
    »Warum nicht? Ich habe nichts dagegen. Aber du solltest wissen, dass zwischen Maria und mir ein sehr starkes Vertrauensverhältnis herrscht. Ich konnte schon in der Schule mit allen Problemen zu ihr kommen. Sie hat mit mir geredet, wenn ich nachts nicht schlafen konnte und

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