Karas Reich
Verletzungen zu sehen.
Die Leichen allein konnten diesen Geruch nicht abgeben, der sie störte.
Er drang zudem aus der Tiefe dieses Hauses an ihre Nase. Kara mußte sich zusammenreißen, um sich nicht zu schütteln und möglichst gelassen zu bleiben.
Mittlerweile hatten sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt. Sie erkannte die beiden Männer besser und stellte fest, daß sie auch jetzt nicht den Eindruck machten, als wollten sie angreifen. Sie wunderte sich allein über den Ausdruck in ihren Augen. Er war nicht feindselig, eher schauten die beiden sie ängstlich und voller Ehrfurcht an.
Eine Täuschung? Spiegelte ihr das Licht der Kerzen etwas vor? Oder hatten sie sich im Schein der Fackeln verändert?
Kara wußte es nicht. Sie wollte aber eine Antwort. Sie gehörten nicht zu den Personen, die irgendwo warteten und sich darauf verließen, daß andere handelten.
Deshalb trat sie auf die beiden Männer zu.
Sie warteten.
Sie huschten nicht weg, sie sahen nur aus, als wollten sie etwas sagen, sich aber nicht trauten und lieber den Mund hielten, ohne ein Wort hervorzupressen.
Als Kara noch näher an die Männer herankam, da kam endlich Bewegung in sie. Zugleich flüsterten sie auch.
Kara blieb stehen, als sich die beiden vor ihr verbeugten. Einen tiefen Bückling machten sie, als wollten sie mit den Lippen den Boden küssen.
Dann kamen sie wieder hoch, blieben in einer ängstlichen Haltung vor ihr stehen und schauten ihr beinahe bittend in die Augen.
»Was ist los mit euch?« fragte Kara verwundert. Schon längst lagen ihre Hände nicht mehr auf dem Griff der Waffe.
»Sei gegrüßt, Königin…«
Kara bewegte ihre Augenbrauen. Sie zog sich aus dieser Realität zurück und dachte an ihre Träume. Da war sie über ein Land geflogen und hatte die Menschen gesehen, in deren Gesichtern das Unglück wie festgeschrieben lag.
Träume sind keine Schäume. Wenigstens nicht in ihrem Fall. Sie hatten ihr gezeigt, wo sie den Weg finden konnten, und sie war ihn mit Hilfe der Flammenden Steine gegangen.
Sie hatte auch ein Ziel erreicht, ein Land, genau das Land, das sie in ihren Träumen gesehen hatte. In dem die Menschen mit den traurigen Gesichtern lebten, ohne Hoffnung, ohne eine Chance auf eine gute Zukunft. Sie schaute auf die beiden. Gehörten sie auch dazu? Sie waren es, die Kara so ehrfurchtsvoll als ihre Königin begrüßt hatten. Dann mußte sie, wenn alles stimmte, die Königin oder Herrscherin in diesem gewaltigen Reich sein.
Das brachte sie durcheinander. Sie schaute auf die beiden Männer und erwartete Erklärungen. Mitglieder aus dem Volk sollten ihre eigene Königin aufklären, aber das war so gut wie unmöglich. Das gab es einfach nicht. Dazu waren sie nicht würdig genug, und deshalb mußte Kara sie durch Fragen aus der Reserve locken.
Es war sowieso ein Irrsinn, was sie hier erlebte. Sie konnte sich nicht daran erinnern, in Atlantis eine Königin gewesen zu sein. Ihr Vater war zwar ein mächtiger Mann gewesen, doch ein Reich hatte er ihr nicht hinterlassen.
Warum dann Königin?
Gab es eine Zeitspanne in der langen Existenz des Kontinents, die ihr nicht geläufig war? Hatte sie gelebt, ohne daß es ihr richtig bewußt geworden war? Gab es einen Teil ihrer Existenz, der im tiefen Dunkel lag? Sie hätte die Männer gern danach gefragt, nur sahen die beiden nicht so aus, als wären sie in der Lage, ihr eine Antwort zu geben.
Sie lächelte.
Es tat den Männern gut, denn sie lächelten zurück. Sehr scheu und verhalten allerdings.
Kara näherte sich dem Wagen mit seiner schrecklichen Ladung. Auch dafür interessierte sie sich, aber sie wollte die zwei nicht erschrecken und ließ dieses Thema zunächst einmal. Statt dessen wollte sie mit leiser Stimme wissen, weshalb sie von ihnen als die Königin angesehen wurde.
Der Größere sagte: »Ich bin Gallas, wir sind nur unwürdige Helfer. Ich und Kruti.«
So mußte der Kleine mit dem krummen Rücken heißen. Er nickte, als er seinen Namen hörte.
»Ob unwürdig oder nicht. Ich möchte von euch erfahren, weshalb ihr mich so angeredet habt.«
Die beiden schauten sich an. Kruti verzog die feuchten Lippen.
»Bitte.«
»Du bist doch unsere Königin.«
»Das sagst du, Gallas. Nur daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Tut mir leid.«
»Nichts?«
»Nein.«
»Aber du bist es doch«, sagte Gallas und schaute Kara ins Gesicht. »Ja, du bist es.«
»Wenn ich mich nicht daran erinnern kann, wie kommt es, daß ihr es schafft?«
»Aber…«
»Sie soll
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