Karas Reich
hast.«
»Ich kann hier nicht regieren«, flüsterte Kara. »Es… es ist einfach nicht möglich.« Als sie die Enttäuschung in Gallas’ Augen sah, bereute sie die Worte beinahe, und sie wollte ihm eine Erklärung geben. Sie legte Gallas eine Hand auf die Schulter, und er zuckte unter dieser Berührung zusammen, als hätte ihn glühendes Metall berührt. Anscheinend konnte er sich nicht vorstellen, daß eine Königin einen Untergebenen derart vertraulich berührte. »Du brauchst keine Angst zu haben«, sprach Kara weiter. »Was ich dir vorhin gesagt habe, war keine Ausrede. Dabei bleibe ich. Ich kann nicht regieren. Ich lebe nicht mehr in Atlantis. Ich lebe in einer anderen Zeit, denn mir ist es gelungen, dem Untergang zu entgehen. Mir und vielen anderen. Aber ich konnte durch die Zeit wieder zurückreisen. Verstehst du das?«
Gallas schaute sie an. War er enttäuscht über ihre Worte? Sie wußte es nicht, aber sie spürte sehr deutlich, wie sich Unsicherheit in seine Gedankenwelt einschlich. »Nimm es hin«, sagte sie nur.
Bisher hatte sich Kruti nicht gemeldet. Jetzt begann er zu sprechen, und er stellte dabei nur eine Frage: »Aber du bist es doch wirklich, nicht wahr? Du bist unsere Königin. Kein Bild kann so lügen.«
»Ja, ich bin es.«
»Dann hatten die Propheten recht, die von einer Frau sprachen. Sie haben dich malen lassen, sie wollten uns mit dem Bild Hoffnung geben, und wir haben es gut versteckt. Es sollte nicht gefunden werden, denn der Schwarze Tod und seine Schergen wollten es vernichten. Sie können es nicht zulassen, daß jemand anderer regiert. Fünf Tote haben sie uns hinterlassen, und unsere Angst wird größer, daß sie plötzlich hier stehen und alles vernichten.«
»Was sollen sie denn vernichten?«
»Alles. Sie werden töten wollen. Sie werden dem schwarzen Skelett folgen und nur das tun, was es von ihnen verlangt. Sie sind furchtbar und grausam. Und sie werden sich an der Angst der Menschen weiden. Die fünf Toten sind ein furchtbares Zeichen. Sie gehörten zu den Wächtern in der Nähe. Sie wußten, wo sich das Bild befindet, und ich sage dir, daß es nicht mehr sicher ist.«
Kara hatte begriffen. Sie schaute den beiden Männern in die Augen und sah die Angst darin. »Wollt ihr damit sagen, daß der Schwarze Tod und seine Vasallen einen Überfall planen?«
»Damit muß man rechnen. Wir wissen nicht, ob es Verräter gegeben hat. Aber er wird irgendwann hier erscheinen und das Bild zerstören. Vielleicht bist du gerade rechtzeitig gekommen. Vielleicht haben dir deine Träume den Weg gewiesen. Es wird bald dunkel werden. Die Dämmerung ist seine Zeit. Sie gehört ihm ebenso wie die Finsternis. Da fühlen er und seine Vasallen sich am wohlsten.«
»Ja, du hast recht.«
»Und was wirst du tun?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Kara. »Ich möchte nur, daß die Toten begraben werden, denn sie sind für mich gestorben, wenn ich euch richtig verstanden habe.«
»Das hast du.«
»Dann laßt mich dabeisein.«
Gallas und Kruti nickten.
Bevor sie gingen, drehte Kara sich noch einmal um und warf einen letzten Blick auf das Bild.
Es war so echt, so naturgetreu, und sie konnte den kalten Schauer auf ihrem Rücken nicht vermeiden…
***
Als Kara vor dem Wagen mit der schaurigen Fracht stand, stieg es heiß aus ihrem Magen in die Höhe. Sie war innerlich sehr erregt und umkrampfte den Griff ihrer Waffe wieder mit beiden Händen. Sie spürte den Haß und den Zorn auf den Schwarzen Tod, der sich nie mit seinem Reich zufriedengeben wollte und immer wieder Vorstöße in andere Regionen machte, um auch sie unter seine Knute zu zwingen.
Er war ein Geschöpf der Finsternis, des Grauens, entstiegen aus einem menschenfeindlichen Sumpf, ausgestattet mit einer beinahe schon grenzenlosen Macht, sah er nicht nur in den normalen Bewohnern des Landes seine Feinde, sondern auch unter den eigenen Schwarzblütern, denen er nichts gönnte. Keine Macht der Welt mehr sollte sie von seinem gewaltigen Anspruch trennen. Er haßte alles, was sich gegen ihn stellte, und er sorgte mit unsagbarer Grausamkeit dafür, daß diese Feinde auch verschwanden. Im Töten und Vernichten war er ein wahrer Meister.
Aber er war nicht unsterblich gewesen. In der normalen Zeit traf er dann auf Gegner, die ihn stoppten. Nicht zuletzt war es John Sinclair und seinem silbernen Bumerang zu verdanken gewesen, daß der Schwarze Tod nicht hatte überleben können. Es gab ihn nicht mehr, es war vorbei.
Und doch lebte er.
Nur in
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