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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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arme Schlucker, auf Kriegsfuß mit den königlichen Gesetzen,
     frage ich, sollte da zu Euch Vertrauen fassen, zumal ihm auf Schritt und Tritt der Galgen winkt?«
    »Kurz und gut, wie heißt der Schmuggler?« fragte Monsieur de Guron mit leicht gereizter Stimme.
    Sosehr er Pater Joseph bewundere, sagte er mir später, wittere er hinter all seiner Demut doch manches Mal ein gehöriges Maß
     Eitelkeit.
    »Er heißt Bartolocci«, sagte der Pater, »und er spricht ein italienisch verschnittenes Französisch, oder besser gesagt, ein
     mit ein paar französischen Brocken verschnittenes Italienisch.«
    »Und was weiß er über die Rochelaiser Tore?«
    »Er war im Umkreis eines der Tore Salzarbeiter.«
    In dem Augenblick meldete uns Charpentier, daß der Kardinal eingetroffen sei und uns in seinem Arbeitszimmer erwarte. Der
     Wind auf dem Deich hatte Richelieus gewöhnlicher Blässe abgeholfen und seine Wangen kräftig gerötet.
    »Meine Herren, war Eure Suche erfolgreich?« fragte er.
    »Wir haben unseren Mann gefunden«, gab Pater Joseph mit rührender Großzügigkeit zur Antwort.
    »Um ehrlich zu sein«, sagte Monsieur de Guron, »Monsieur d’Orbieu und ich waren auf der Suche, gefunden hat ihn Pater Joseph.«
    »Wo ist er?« fragte Richelieu.
    »Im Wachsaal«, sagte der Pater und nannte den Namen und das einstige Gewerbe des Mannes.
    |222| »Und was macht er hier im Lager?«
    »Er schafft ein paar Lebensmittel zu den Belagerten.«
    »Dann ist er also ein Verräter«, sagte Richelieu. »Ein gutes Dutzend solcher Schmuggler haben wir seit Beginn der Belagerung
     gehängt. Was weiß er über den Schwachpunkt der Mauern?«
    »Das sagt Bartolocci Euch selbst, Monseigneur, wenn Ihr ihm einen Passierschein ausstellt, damit er beim Betreten oder Verlassen
     des Lagers nicht festgenommen wird.«
    »Ich lasse nicht mit mir handeln«, sagte Richelieu, der doch von morgens bis abends genau das tat, und zwar mit einer verblüffenden
     Geschmeidigkeit. »Trotzdem, bringt ihn her, ich will ihn mir ansehen.«
    Pater Joseph ging Bartolocci holen. Daß sein Äußeres für ihn gesprochen hätte, konnte man schwerlich von ihm behaupten: die
     Brauen waren ihm über der Nase zusammengewachsen und bildeten einen schwarzen Balken, der die kleinen, verschlagenen dunklen
     Augen überschattete. Der Mund war breit, rot und wulstig, die Zähne schwarz, das Kinn wie ein Säbel.
    »Bartolocci«, sagte Richelieu, »wenn ich recht verstehe, willst du, daß ich dich am Leben lasse und dir einen Passierschein
     gebe.«
    »Vostra Eminenza«
, sagte Bartolocci, indem er vor dem Kardinal niederkniete, »wenn Passierschein
un salvacondotto
ist, dann ist es genau das, was ich will,
col Vostro permesso, Vostra Eminenza.
«
    »Und was gibst du mir dafür?«
    »Una informazione molto importante
«
, sagte Bartolocci, »sobald
Vostra Eminenza
mir den
salvacondotto
gibt.«
    »Und woher weiß ich, ob deine Information wichtig ist, wenn du mir nicht zuerst sagst, um was es sich handelt?«
    »Vostra Eminenza
«
, sagte Bartolocci,
» facciamo l’ipotesi che l’informazione
Euch nicht wichtig ist,
allora
schenkt Ihr mir nur das Leben.
Facciamo l’ipotesi che l’informazioneè molto importante
für Euch, dann schenkt Ihr mir
la grazia e il salvacondotto
.
«
    Der Kardinal hob die Brauen, als wäre er verwundert oder belustigt, daß er – im Gegensatz zu dem, was er kurz zuvor gesagt
     hatte – bereits mitten in einem Handel mit einem Schwarzhändler steckte. Andererseits sah er jedoch ein, daß der Mann |223| durchaus nicht dumm war und daß die Informationen, die er ihm geben konnte, womöglich einen Gnadenerweis wert waren, der ihn
     nichts kostete, vielleicht aber sogar einen Passierschein.
    »Abgemacht«, sagte er. »Ich höre.«
    » Vostra Eminenza, il punto più debole della fortificazione
1 ist das Maubec-Tor.«
    Leser, darf ich hier noch einmal betonen, daß kein königlicher Graben sich den Mauern der Stadt weiter als hundertfünfzig
     Klafter näherte, weil eben dies die maximale Reichweite der feindlichen Musketen war und die Königlichen der vordersten Linie
     derweise ihrem Feuer entgingen. Diese Stellung war bei den königlichen Armeen die Regel seit der unglücklichen Belagerung
     der Stadt Montauban, wo der vorderste Graben zu nahe am Feind gegraben worden war und eine hugenottische Kugel von den Wällen
     herab den Herzog von Maine in den Kopf traf und auf der Stelle tötete.
    Zwischen den Rochelaisern und uns erstreckte sich also eine

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