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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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für diese Aufgabe zur Verfügung stellen?«
    Drei Hände fuhren in die Höhe. Richelieu faßte einen nach dem anderen von uns ins Auge. Dann senkte er die Lider, dachte kurz
     nach und blickte wieder auf.
    »Ich wähle Monsieur d’Orbieu«, sagte er. »Er ist von Euch dreien der Jüngste.«
    Was unausgesprochen besagte, daß Pater Joseph zu zart und Monsieur de Guron ob seines Gewichts und seines Bauches zu unbeweglich
     waren. So geschah es, daß ich zum erstenmal, seit ich dem König diente, von den diplomatischen Missionen, die mein eigentliches
     Gebiet waren, zu einer militärischen wechselte.

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    |226| NEUNTES KAPITEL
    In den folgenden Tagen und Nächten zerbrach ich mir unentwegt den Kopf darüber, wie dieser Erkundungsgang bei schwarzer Nacht
     durch das sumpfige Gelände vonstatten gehen sollte. Eine Laterne konnte ich schwerlich zu Hilfe nehmen, der Lichtschein hätte
     mich sofort zur Zielscheibe des hugenottischen Musketenfeuers gemacht.
    Der Abstand zwischen dem vordersten königlichen Graben und den Mauern von La Rochelle betrug nicht mehr als hundertfünfzig
     Klafter, den legte man am hellen Tag in wenigen Minuten zurück. Da es sich aber um unregelmäßig verlaufende Pfade durch die
     versumpften einstigen Salzfelder handelte, würde es viel mehr Zeit, Vorsicht und ein besonderes Gespür erfordern, den richtigen
     Pfad und die richtige Richtung nicht zu verlieren. Natürlich wäre ein Kompaß sehr nützlich, um die Mauern anzupeilen und um
     nach getanem Werk zu unseren Gräben zurückzufinden. Doch würden unsere Wege zu vielfach gebrochen sein, als daß man den Kompaß
     zu Rate ziehen könnte, außerdem müßte man dazu Feuer schlagen, und selbst wenn dies im Schutz einer Mantelbahn und nur für
     einen Augenblick erfolgte, könnte der Schein den Verdacht der Rochelaiser Späher erregen. Es wäre das Ende der Mission. Entweder
     würde der Feind das Gelände aufs Geratewohl mit Musketenfeuer bestreichen oder einen Ausfall machen, um uns gefangenzunehmen.
    Bartolocci hatte geprahlt, er erkenne die Pfade auch in tiefer Nacht und könne uns sicher zu den gegnerischen Mauern führen.
     Ich würde ihm also nur nachfolgen müssen, doch wie, wenn ich ihn nicht sah? Konnte er mich nicht mitten in diesem Labyrinth
     im Stich lassen und später behaupten, ich hätte mich verirrt? Wie sollte ich diesem Halunken vertrauen, der sich so leicht
     bereit erklärt hatte, unsere Sprengmeister zum Maubec-Tor zu führen, dann aber so seltsam vor einem einfachen Erkundungsgang
     zurückscheute?
    Je länger ich die Schwierigkeiten des Unternehmens überdachte, |227| desto gewisser wurde ich mir, daß die eigentliche Gefahr mir weniger von den Hugenotten als von Bartolocci drohte. Daher beschloß
     ich, vor unserem Aufbruch in die Sümpfe hinsichtlich des Kerls alle Vorsichtsmaßregeln zu treffen, die mir geboten erschienen.
    Nach dem Beschluß, mich gründlich mit Hörner zu beraten und auf entsprechende Mittel zu sinnen, wurde mir wohler zumute, und
     von nun an harrte ich nur mehr voll Ungeduld des rechten Zeitpunkts. Denn wir mußten für unsere Expedition den Neumond abwarten,
     wenn der Mond nämlich so neu ist, daß man ihn gar nicht sieht. Und wenn es sich dann noch trifft, daß die Sterne gleichzeitig
     von einer dichten Wolkendecke verhüllt werden, sieht man kaum mehr die Hand vor Augen. Nicolas hätte mich bei dieser Mission
     furchtbar gerne begleitet, weil ich aber für seine Andeutungen in der Richtung taub blieb, fragte er mich rundheraus.
    »Nicolas«, sagte ich, »du begleitest mich zu Pferde bis zu Bartoloccis Hütte, und dort wachst du bei unseren Tieren, bis ich
     zurückkomme.«
    »Herr Graf, unsere Tiere könnte doch auch einer von den Schweizern bewachen.«
    »Habe ich recht gehört?« sagte ich streng. »Wenn du noch mein Junker sein willst, wie kannst du deine Aufgaben dann einem
     anderen zuschieben wollen?«
    »Ich bin Euer Junker, Herr Graf, und Euren Befehlen gehorsam.«
    »Schön, die kennst du, und sie sind unwiderruflich.«
    Nicolas wurde über und über rot und sah so beschämt aus, daß ich einlenkte.
    »Höre«, fuhr ich fort, »Bartolocci und ich müssen in tiefster Finsternis hintereinander gehen, er vornweg, weil er den Weg
     kennt, und ich hinterher, weil ich ihn nicht kenne. Was brächte es, wenn du mir folgtest, da du ihn auch nicht kennst? Zwei
     Unwissen addiert, ergeben kein Wissen.«
    »Aber angenommen, Herr Graf, der Kerl sticht Euch einfach nieder und

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