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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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ein Verstoß gegen die Kriegsgesetze gewesen.«
    »Die diesen Herrn Sanceaux so viel kümmern wie seine ersten Hosen.«
    »Ihr meint, sie hätten uns alle drei niedergeschossen?«
    »Und ob! Das kleine Vergnügen hätten sie sich gegönnt.«
    »Ha, Herr Graf!« rief Nicolas begeistert, »dann war dies meine erste Gelegenheit, im Angesicht des Feindes zu fallen! Ist
     das nicht toll?«
    »Allerdings, und das Tollste daran, du hättest eine junge Witwe hinterlassen, die sich bis ans Ende ihrer Erdentage die Seele
     aus dem Leib geweint hätte.«
    »Das habe ich nicht bedacht.«
    »Dann empfehle ich dir, es künftig zu bedenken, und auch, daß Tapferkeit nicht darin besteht, sein Leben zu riskieren, ohne
     daß es der Sache nützt, die man vertritt.«
    Ich spornte mein Pferd und ließ den Grünschnabel ganz zerknirscht zurück. Wer weiß, dachte ich, vielleicht merkt er sich |253| meine Lehre, und sie rettet ihm, wenn er sich eines Tages im Kampf darauf besinnt, das Leben.
    Ziemlich besorgt durch die Nachricht, die mir dieser Prahlhans von Sanceaux verkündet hatte, wenn auch noch ungläubig, kehrte
     ich zurück zum Lager. Doch just als ich die königlichen Gräben erreichte, vernahm ich drei Kanonenschläge, aber aus zu großer
     Entfernung, als daß sie von den Rochelaisern kommen konnten.
    »Herr Graf«, sagte der wachhabende Gefreite, obwohl er mich gut kannte, »beliebt die Parole zu nennen.«
    »Saint-Germain«, sagte ich.
    Hiermit war aber kein Heiliger gemeint, sondern das Schloß Saint-Germain-en-Laye, wo Ludwig aufgewachsen war.
    Auf die Losung hin gab mir der Gefreite den Zutritt zum Graben mit breitem Lachen frei. Mit breitem sage ich, weil er einen
     so großen Mund hatte, daß sein Lachen doppelt so breit war wie ein gewöhnliches.
    »Gefreiter«, sagte ich, »wißt Ihr, was dieser Kanonendonner zu bedeuten hat?«
    »Herr Graf, der ist die erste Hälfte eines Signals«, sagte der Gefreite. »Um sicherzugehen, was es bedeutet, muß man aber
     die zweite Hälfte abwarten.«
    »Und was bedeutet das Signal, wenn es vollständig ist?«
    »Um Vergebung, Herr Graf«, sagte der Gefreite mit seinem breitesten Lachen, »ob vollständig oder nicht, ich darf es Euch nicht
     verraten, das ist Kriegsgeheimnis.«
    Er hatte kaum geendet, als am Horizont eine schwarze Rauchsäule emporstieg und den sonnigen Himmel verdüsterte.
    »Gefreiter, woher kommt diese Rauchsäule?«
    »Von der Insel Ré, Herr Graf, genauer gesagt, vom Fort de la Prée, ganz im Süden, wo wir Truppen liegen haben. Und die Kanonenschüsse
     wurden auch von den Unseren abgefeuert, aber ganz im Norden, an der Pointe de Grouin, wo man gute Sicht auf den Bretonischen
     Pertuis hat.«
    »Also ist das Signal jetzt vollständig«, sagte ich lächelnd, »und ich meine, es bedeutet, daß auf dem Bretonischen Pertuis
     eine Flotte, von günstigem Wind geschwellt, in Richtung La Rochelle heransegelt.«
    »Das stimmt, Herr Graf, vergeßt aber bitte nicht, daß ich Euch nichts dergleichen verraten habe.«
    |254| »Gewiß. Ich ließ nur meiner Phantasie freien Lauf.«
    »Mit Verlaub, Herr Graf«, sagte der Gefreite, zappelig wie ein Floh, »darf ich jetzt gehen? Ich muß Hauptmann de Bellec augenblicklich
     Bericht erstatten, daß das Signal bestätigt wurde.«
    »Dann erwarte ich Euch hier, ich will Monsieur de Bellec auch sprechen. Aber macht schnell.«
    Dieses Rates bedurfte er nicht. Wie der Wind verschwand er im Graben und machte tatsächlich so schnell, daß er in Kürze hinter
     dem knotigen Hauptmann de Bellec wieder auftauchte, der straffen Schrittes herbeigeeilt kam. Knotig sage ich, denn an dem
     ganzen Mann war keine Unze Fett, und er sah aus, als hätte ihn der Schöpfer aus lauter Seemannsknoten gemacht. Er stammte
     aus Cancale und sprach ein seltsames Gemisch aus Französisch und Bretonisch, wobei er übrigens kaum die Lippen auseinanderbrachte,
     vielleicht eine Schutzmaßnahme gegen den bretonischen Nebel.
    »Herr Graf«, sagte er und erstaunte mich damit, wie man so viele Worte bei so wenig geöffnetem Mund so schnell abspulen konnte,
     »die Engländer sind ein paar Taulängen vor der Küste. Ich muß dringlichst den Kardinal in Pont de Pierre benachrichtigen,
     aber ich würde kostbare Zeit verlieren, wenn ich erst meine Stute aus dem Stall kommen und satteln lassen müßte. Wäret Ihr
     bereit, statt meiner zum Herrn Kardinal zu reiten, Herr Graf, wenn ich Euch sehr darum bitte?«
    »Von Herzen gern, Monsieur de Bellec«, sagte ich. »Und

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