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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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ich werde nicht verfehlen, dem Kardinal zu melden, daß Ihr das Signal
     als erster gesehen habt. Würdet Ihr bitte dafür sorgen, daß mein Trommler ungehindert zu seiner Kompanie zurückkehren kann?«
    ***
    Nicolas und ich gelangten ohne große Aufhaltungen durchs Feldlager nach Pont de Pierre, ein Beweis, daß die Nachricht von
     der englischen Invasion noch nicht weit gedrungen war. Sowie Charpentier mich jedoch beim Kardinal einließ, sah ich auf den
     ersten Blick, daß er sie bereits kannte, denn er war schon im Harnisch, nur trug er keinen Helm, statt dessen saß die kleine
     Purpurkalotte, geheimnisvoll befestigt wie stets, auf seinem Hinterkopf. Der metallene Harnisch endete oben an |255| den Ellenbogen und unten in halber Schenkelhöhe. Richelieu hatte gleichwohl auf seine Kardinalsrobe nicht verzichtet, die
     er, wer weiß wie, sowohl unter wie über dem Harnisch trug. Doch war sie derart kunstvoll gefaltet und zum Gürtel aufgeschlagen,
     daß er Beinfreiheit hatte und man seine überkniehohen, geschmeidigen Stiefel sah. An seiner Linken hing ein feiner, langer
     Kriegsdegen, und seinen Hals umgab ein weißer, mit zwei Bändern geschlossener Kragen, der ihn wahrscheinlich vor dem scheuernden
     Harnischrand schützte.
    Man sollte meinen, diese Aufmachung, Prälat und Krieger in einem, hätte verstohlenes Gespött hervorrufen können. Dem war aber
     nicht so, die Erscheinung war schlank und nervig, der Blick gebieterisch, die Nase gebogen, der Mund geschlossen, und offen
     gesagt, machte der ganze Mann den Eindruck, als fühle er sich in seinem Harnisch wie zu Hause, und ich glaube, er war, ohne
     es zu zeigen, glücklicher denn je.
    »Monsieur d’Orbieu«, sagte Richelieu mit rascher, entschiedener Stimme, »Ihr kommt gerade recht. Ich bin im Begriff, nach
     Chef de Baie aufzubrechen und die Kanonen auf gewisse Segel zu richten, die im Bretonischen Pertuis nichts zu suchen haben.
     Seid so gütig, nach Surgères zu eilen und den König von der Ankunft der Eindringlinge zu benachrichtigen. Surgères liegt zu
     weit landein, als daß Seine Majestät den schwarzen Rauch vom Fort de la Prée hat sehen oder unseren Kanonendonner von der
     Pointe du Grouin hat hören können. Und da Ihr, Monsieur d’Orbieu, seiner Entourage in Surgères wohlbekannt seid, werdet Ihr
     weniger Schwierigkeiten als andere haben, rasch zu Seiner Majestät vorzudringen.«
    Obwohl es fast Mitte Mai war und die Sonne schien, schlug uns ein scharfer, böiger Wind ins Gesicht, als wir nach draußen
     kamen. Richelieu schwang sich mit erstaunlicher Behendigkeit in den Sattel und trabte, von seinen Garden und Musketieren begleitet,
     nach Chef de Baie, während ich mit verhängten Zügeln in Richtung Surgères sprengte, so daß Nicolas mir kaum folgen konnte.
     Sobald meine Accla den Zaum nicht spürte, war sie nichts als Freude. Nur widerwillig fügte sie sich für gewöhnlich, wenn sie
     mit trostloser Langsamkeit inmitten der großen, so schmutzigen und schwerfälligen Kriegsgäule einhertrotten mußte. Die feinen
     Ohren fröhlich aufgestellt, ging sie ganz von selbst vom leichten Trab in den Galopp über, und |256| da der Wind sie obendrein von hinten antrieb, waren wir binnen nicht einmal drei Stunden in Surgères.
    Ich traf Ludwig an einem niedrigen Tisch, wie er sich Brot mit frischer Butter bestrich, ohne daß ich wußte, ob dies schon
     seine Abendmahlzeit war oder nur ein Imbiß zwischendurch. Als er mich erblickte, legte er das Brot auf seinen Teller.
    »Nun, was habt Ihr für Nachrichten, Orbieu?« fragte er.
    »Sire, im Bretonischen Pertuis wird eine englische Flotte gesichtet.«
    »Soupite«, sagte der König, ohne die geringste Aufregung zu zeigen, »bring meinen Harnisch, laß mein Pferd satteln, und Clérac
     soll überall zum Aufbruch blasen lassen.«
    Dann nahm er sein Brot, aß es bis zum letzten Bissen, erhob sich, und als seine Diener mit dem königlichen Harnisch hereintraten,
     legte er ihn mit ihrer Hilfe an. Eine Weile darauf wandte er sich an mich.
    »Dann habe ich es ja richtig gemacht, daß ich gegen die Einwände eines Marschalls von Frankreich neun zusätzliche Kanonen
     nach Chef de Baie verlegt habe. Um in die Rochelaiser Bucht zu gelangen, müssen die Engländer nahe an dem Kliff vorbei … Gut«,
     fuhr er fort, als der Harnisch geschnallt war, »ich bin bereit, die Herren Engländer zu empfangen. Im Bretonischen Pertuis
     wollen wir sie dulden, aber wenn sie sich vermessen, nach La Rochelle

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