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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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durchzustoßen, kommt keiner davon, dafür habe ich gesorgt.
     Orbieu, beliebt mir nach Chef de Baie zu folgen. Es kann sein, ich habe einen Auftrag für Euch.«
    »Zu Euren Diensten, Sire«, sagte ich knapp. Ich wußte, daß Ludwig langes Gerede nicht schätzte.
    Im Feldlager, das noch vor kurzem den Eindruck erweckt hatte, als gedenke man einen ruhigen Tag zu beschließen, eintönig wie
     jeder andere, wimmelte alles in heller Aufregung. Die Neuigkeit hatte sich wie ein Lauffeuer verbreitet, so gut der Gefreite
     von Monsieur de Bellec das Kriegsgeheimnis auch gehütet hatte. Und nach dem scharfen Trab, der uns von Surgères nach Pont
     de Pierre geführt hatte, hieß es nun wieder sehr langsam trotten, als wir die Straße durch die Umzingelung nahmen. So kam
     es, daß wir Chef de Baie später als gewollt erreichten, doch immerhin noch vor Einbruch der Dunkelheit, um mit eigenen Augen
     die englische Flotte zu sehen, die außer Reichweite der Kanonen unserer Geschwader und Forts vor Anker lag.
    |257| An einer Spitze des Kliffs von Chef de Baie, die dem offenen Meer am nächsten lag, saß Ludwig ab und richtete sein Fernrohr
     forschend auf die englische Flotte und dann auf unsere. Und wahrhaftig, mit dieser wie mit Richelieu, der sie unter großen
     Mühen und Kosten aufgebaut hatte, konnte er zufrieden sein. Sie war in vier Geschwader aufgeteilt, das eine, direkt vor Chef
     de Baie gelegen, kontrollierte die Einfahrt der Schiffe, die vom Bretonischen Pertuis kamen, das andere, auf der drübigen
     Seite der Bucht, verteidigte das Kliff von Coureille, die beiden übrigen hatten dazwischen ihre Positionen bezogen, so daß
     der Feind, auf welcher Route er auch in die Bucht einzudringen versuchte, es jedenfalls mit einem Teil unserer Armada zu tun
     bekam.
    Entgegen den verächtlichen Berichten, welche die Rochelaiser den Engländern gegeben hatten, war unsere Flotte weder von der
     Anzahl noch von der Qualität her minderwertig. Sie wurde von erfahrenen Admirälen befehligt, und die Mannschaften bestanden
     aus bretonischen und normannischen Seeleuten, die ihr Metier beherrschten, gute Verpflegung, guten Sold genossen und einer
     eisernen Disziplin unterlagen.
    Nur, damit Sie sich ein Bild machen können, Leser: Ging ein Matrose das erstemal unerlaubt von Bord, um sich an Land mit einem
     Weib zu verlustieren, wurde er »getaucht«, das heißt, man zog den Schuldigen an einer Trosse um das ganze Schiff herum durchs
     eiskalte Wasser, »um ihn abzukühlen«, wie es hieß. Wurde er rückfällig, hängte man ihn kurzerhand an der höchsten Rah, damit
     die gesamte königliche Flotte seinen letzten Zuckungen beiwohnen und sich sein klägliches Ende als abschreckendes Beispiel
     einprägen konnte.
    »Monsieur d’Orbieu«, sagte Ludwig, indem er das Fernrohr senkte und sich eine Weile das Augenlid rieb, »was meint Ihr, wie
     viele Forts und Schanzen wir an beiden Ufern der Bucht haben?«
    »Gut zehn, Sire«, sagte ich, »so viele wurden jedenfalls erbaut, seit ich hier bin.«
    »Es sind siebzehn, Monsieur d’Orbieu, siebzehn! Und keines weniger. Deshalb denke ich, wenn der feindliche Admiral auch nur
     eine Unze Menschenverstand in seinem englischen Schädel hat, greift er nicht an.«
    »Ich erlaube mir, Sire, Eurer Meinung zu sein«, sagte der Kardinal, der soeben hinzutrat und vor Ludwig ins Knie fiel.
    |258| Er war gerade erst angelangt, weil er sich auf den Deichbaustellen mit seinen Anweisungen versäumt hatte, noch mehr Soldaten
     zum Bau und zum Steinekarren heranzuziehen. Richelieu machte einen großartigen Eindruck, als er sich von seinem Kniefall erhob.
     Der Ritt im Wind hatte ihm Farbe in die sonst so blassen Wangen getrieben. Der Harnisch verlieh seinem schmalen Leib Fülle,
     und besagtem Harnisch entwichene Bahnen seiner roten Robe umflatterten ihn im Wind von Chef de Baie, so daß es aussah, als
     flöge er, obwohl er doch mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Reiches stand, das er verteidigte.
    »Ah, der Herr Kardinal, da seid Ihr endlich!« sagte Ludwig in jenem zugleich herablassenden und liebevollen Ton, den er oft
     gegenüber Richelieu anschlug und der zu verstehen gab, daß er ohne seinen treuesten Diener nicht sein konnte, daß dieser Diener
     aber gut daran tat, sich stets zu gewärtigen, daß immer noch der König »Herr der Butike« war, wie Henri Quatre sagte. »Herr
     Kardinal«, fuhr er fort, »beliebt Monsieur d’Or bieu zu erklären, warum wir meinen, daß der Engländer nicht

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