Kardinal vor La Rochelle
mit seinen Schweizern, der andere mit seinen Musketieren –
auf königlichen Befehl Unterkunft beim Gouverneur von Nantes suchten, boten die »Herren von Siorac«, höchst angesehene Reeder
und Korsaren weitum, mir und Nicolas nach wer weiß wie vielen Umarmungen ihre brüderliche Gastfreundschaft, solange ich mich
auch in ihrer guten Stadt aufhielte.
Wir hatten uns kaum zum Abendessen gesetzt – das aus köstlichen Fischgerichten und einem guten Loire-Wein bestand –, als ich
mich schon nach der Wohnung des Barons de La Luthumière erkundigte, mit dem ich am folgenden Tag zu tun hätte, sagte ich,
ohne Näheres zu erläutern.
»Liebe Zeit!« sagte Pierre, der gesprächigere meiner Brüder, »derzeit ist an den Baron schwerer heranzukommen als an den Provinzgouverneur!
Er ist voll beschäftigt, überall mit seinen vier gekaperten englischen Schiffen zu protzen, die er jetzt im Trockendock neu
anstreichen läßt.«
»Keine schlechte Sache für einen Korsaren«, sagte Olivier ernst, nur mit den Augen lächelnd.
»Es heißt«, fuhr Pierre fort, »er will sogar den Bug der Schiffe mit seinem Wappen verzieren.«
»Den Bug mit seinem Wappen?« sagte ich, »ist das üblich?«
»Nie und nimmer«, sagte Pierre, »zumal er sich das Wappen eben erst ausgedacht hat. Soweit ich weiß, hatte sein Vater keines.«
»Alles hat seinen Anfang«, meinte Olivier, der zu gutmütig und zu vorsichtig war, um jemandem Übles nachzureden. »Als |275| unser Großvater Siorac vom König zum Baron gemacht wurde, stattete er seine Nachkommen auch mit einem Wappen aus, das jetzt
unser ganzer Stolz ist.«
»Wie ärgerlich«, sagte ich, »daß Monsieur de La Luthumière so schwer zu erreichen ist, ich bin nämlich hier, um auf königlichen
Befehl mit ihm zu sprechen.«
»Das wird nicht leicht sein, auch mit königlichem Befehl«, sagte Olivier. »Immerhin ist der Baron Gouverneur von Cherbourg,
besitzt jetzt eine Flotte von acht großen Schiffen – vier in Cherbourg und vier in Nantes – und hält sich selbst für eine
Art König und Herrn der Meere.«
»Es gibt aber einen Weg, an ihn heranzukommen«, sagte Pierre munter, »seine Gemahlin.«
»Seine Gemahlin?« fragte ich.
»Aber ja!« erwiderte Pierre lachend. »La Luthumière gebietet mit eiserner Hand über seine Schiffe, seine Kapitäne, über deren
rauhe Mannschaften und die Stadt Cherbourg. Aber daheim gehorcht er seiner Angetrauten.«
»Also ist das Sprichwort wahr«, sagte ich, »Weibeswille, Gotteswille.«
»Demgemäß«, fuhr Pierre fort, »wirfst du, mein lieber Graf, dich morgen in deinen elegantesten Anzug, deinen großartigsten
Federhut, vergißt auch beileibe dein Kreuz vom Heilig-Geist-Orden nicht und stellst dich bei der Baronin ein, wenn sie ihre
Toilette beendet hat, das heißt, gegen elf Uhr. Vorweg schickst du deinen schönen Junker, dich bei ihr anzumelden. Nachdem
du der Baronin sämtliche Reverenzen und Komplimente, genau wie bei Hofe, erwiesen hast – kürze sie ja nicht ab! –, sagst du
ihr, daß du Königlicher Rat und vom König nach Nantes entsandt worden bist, um ihren Gemahl zu sprechen, und sagst ihr auch,
in welcher Gunst er jetzt beim König steht.«
»Warum soll ich ihr das sagen?«
»Weil sie hofft«, sagte Olivier, »daß Ludwig ihren Mann nach seiner Heldentat zur See auf der Adelsleiter befördert. Die Dame
ist es leid, Baronin zu sein, sie brennt darauf, Marquise zu werden wie ihre gute Freundin, Madame de Brézolles.«
»Ach, sie sind Freundinnen?«
»Vertraute und unwandelbare, ja. Deshalb wohnen die La Luthumières, wenn sie nach Nantes kommen, auch nicht, wie |276| es dem Protokoll entspräche, beim Gouverneur, sondern bei Madame de Brézolles, deren Hôtel an unseres grenzt.«
Mein Gott, dachte ich, so nahe bin ich ihr! Und schon hämmerte mir das Herz gegen die Rippen, und meine Hände zitterten, daß
ich sie schnell unterm Tisch verstecken mußte. Wahrscheinlich war ich auch blaß geworden, aber meine Brüder geizten ein wenig
mit Lichtern, deshalb bemerkten sie es wohl nicht. Ich wartete eine Weile, bis die Stimme in meiner Kehle wieder klar wurde,
indem ich mir immerzu wiederholte: Nun, nützliche Wahrheit, steh mir bei!
»Wie gut sich das fügt«, sagte ich dann im natürlichsten Ton, »so kann ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Wenn ich
Madame de La Luthumière besuche, werde ich gleichzeitig Madame de Brézolles kennenlernen.«
Meine Brüder wollten es nicht glauben,
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