Kardinal vor La Rochelle
nicht, wie es mich rührte, als Ihr sagtet: ›Mein Kind‹, und wie ich Euch um dieser Worte
willen in mein Herz schloß. Denn war es nicht wunderbar? Noch ehe das Kind gemacht war, nahmt Ihr es schon als Eures! Nur
heftete sich an diese schöne Erklärung ein für mich bedrohlicher Schatten. Ich fürchtete, Eure neuerwachte väterliche Ader
könnte die Pläne stören, die ich zu meinem Schutz |281| gefaßt hatte. Deshalb verheimlichte ich Euch meine Schwangerschaft.«
»Um Vergebung, Liebste, zu dieser Heimlichtuerei gesellte sich aber eine zweite. Als Ihr von Brézolles abreistet, wolltet
Ihr mir nicht sagen, was die ›schändliche Klausel‹ in Eurem Ehevertrag beinhalte, dank derer Eure Schwiegereltern Anspruch
auf dieses Euer Haus zu Nantes erheben konnten.«
»Ach, mein Freund, wie hätte ich Euch den Inhalt dieser Klausel enthüllen dürfen, ohne bei Euch den Verdacht zu erregen, daß
ich mich einzig an Euren Hals geworfen hätte, um schwanger zu werden und dem niederträchtigen Anspruch meiner Schwiegereltern
ein Schnippchen zu schlagen?«
»Wäre das so falsch gewesen?«
»Grundfalsch! Als ich mich Euch hingab, kannte ich die schändliche Klausel noch gar nicht, denn, wie üblich, war mein Ehekontrakt
von meinem Vater unterzeichnet worden.«
»Nun, meine Liebe, wollt Ihr mir heute eröffnen, was diese Klausel besagt?«
»Sie lautet klipp und klar: Sollte meine Ehe betrüblicherweise kinderlos bleiben, würde dieses Haus zu Nantes, also der Teil,
den mein Mann in die Gütergemeinschaft eingebracht hatte, an meine Schwiegereltern zurückfallen, wenn ihr Sohn stürbe.«
»Das ist aber eine ungewöhnliche Klausel! Es wundert mich, daß sie Euren Herrn Vater nicht hellhörig machte. Denn wie kamen
Eure Schwiegereltern auf die Idee dieser Unfruchtbarkeit?«
»Aus gutem Grund! Wie ich viel später durch eine Kammerfrau erfuhr, die meine Schwiegereltern entlassen hatten und die durch
Zufall in meine Dienste trat: Monsieur de Brézolles hatte von seinem fünfzehnten bis zu seinem fünfundzwanzigsten Lebensjahr
– als er mich heiratete –, mit sämtlichen Zofen des elterlichen Schlosses geschlafen, und nie war eine von ihm geschwängert
worden. Das konnte meinen Schwiegereltern nicht entgangen sein.«
»Was sind das denn für Menschen! Nicht allein wußten sie im voraus, daß ihr Sohn Euch das Glück versagen würde, Kinder zu
haben – sie begingen gleich noch die zweite Schofelei, Euch nach seinem Tod den Teil seines Besitzes rauben zu wollen, |282| den die Ehe Euch rechtmäßig eingebracht hatte. Meine Liebe, was tatet Ihr gegen diese Gefahr?«
»Als ich nach Nantes reiste – wobei mir die Vorsehung half, denn ohne Euren Herrn Vater und seine starke Eskorte hätte ich
es nicht können –, da trug ich ein schriftliches Zeugnis unseres Arztes mit, worin er beeidete, daß Monsieur de Brézolles
infolge seines letzten Beischlafs mit mir zu Tode gekommen sei und daß ich, wie er an untrüglichen Zeichen festgestellt habe,
ein posthumes Kind unterm Herzen trüge. Wieviel die gegnerische Partei auch in Brézolles spionierte und mich zu widerlegen
versuchte, mein Gesinde hielt zu mir. Und schlußendlich ist dieses Haus mein und mein auch das Kind, dessen Vater Ihr seid.«
»Meine Liebste«, sagte ich tief bewegt, »habt Dank, daß Ihr meine Ungewißheiten und Zweifel zerstreut habt. Und nun zu dem
Kind, das Euch so glücklich macht: Meint Ihr nicht, daß Ihr mir endlich sagen solltet, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist?«
»Ein Junge, und es ist alles an ihm dran!«
Ich lachte, entzückt von diesem mütterlichen Stolz.
»Und wie habt Ihr ihn getauft?«
»Emmanuel.«
»Wißt Ihr, Liebste, daß Emmanuel ein hebräisches Wort ist und ›Gott mit uns‹ bedeutet?«
»Das wußte ich nicht. Für mich ist Emmanuel ein Vorname seines Vaters.«
»Ich bin gerührt. Darf ich meinen Sohn auch sehen?«
»Sicher. Ich will nur erst abräumen lassen.«
Hierauf läutete sie eine kleine silberne Glocke, und es erschienen nacheinander drei Diener in dem Kabinett, die im Handumdrehen
reinen Tisch machten und verschwanden. Ich wette, dieses Ballett war vorbereitet, so flink und wohlgeordnet ging es vonstatten.
»Mein Freund«, sagte sie, indem sie sich erhob, »beliebt mir zu folgen.«
Sie trat auf die zweite Tür des Kabinetts zu, öffnete sie, und staunend erblickte ich ein großes Zimmer, das dem Schlafzimmer
in Brézolles wie ein Ei dem anderen glich: Teppich,
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