Kardinal vor La Rochelle
dessen untertäniger Diener ich bin (nicht allzu untertänig, dachte ich), an großen Schiffen mangelte,
müßte man darüber nachdenken. Aber der Engländer hat |285| nur noch sieben und Seine Majestät vierundzwanzig. Seine Majestät braucht meine Schiffe nicht.«
»Könntet Ihr sie ihm wenigstens vermieten, bis die Belagerung beendet ist?«
»Vermieten! Und mich dem Befehl eines Admirals unterstellen? Nein!«
»Aber, ich bin überzeugt, daß Kommandeur de Valençay Euch jede Wertschätzung erweisen würde, die Euch gebührt.«
»Das ist nicht der Punkt«, sagte Monsieur de La Luthumière in dem gleichen entschiedenen Ton, »königliche Flotte und Korsaren
kämpfen nicht auf dieselbe Weise. Die Flotte zieht auf, begibt sich in Schlachtordnung. Die feindliche Flotte ebenso. Dann
greifen beide Flotten an. Das hat mit der Korsarenmethode nichts zu tun.«
»Darf ich fragen, Baron, wie diese Methode ist?«
»Der Korsar, Graf, ist ein Jäger. Ob er allein oder im Verbund auf Beutezug geht wie ich. Auf jeden Fall jagt er, und zwar
lauert er immer mit List und Taktik dem Tier auf, das der Sturm von der Herde getrennt hat. Ist das Tier zu groß, beißt der
Korsar, flieht, kehrt wieder, beißt wieder, kurzum, er setzt seiner Beute so lange zu, bis sie die weiße Fahne hißt oder untergeht.
Es ist ein abenteuerliches Gewerbe, Graf, das einzige, das wir verstehen und das wir lieben. Aber uns einer Flotte eingliedern,
nur auf Befehl handeln und auf den Feind warten, anstatt ihn zu jagen, das ist nicht unsere Art.«
Ich hatte Monsieur de La Luthumière für gewandter im Handeln als im Sprechen gehalten und staunte, wie gesprächig er auf einmal
wurde. Aber wenn ein Mann über das Metier spricht, das er liebt und das ihm Gut und Ehre einbringt, muß er wohl nicht nach
Worten suchen.
»Baron«, sagte ich, »ich verstehe Eure Gründe und werde sie dem König übermitteln. Trotzdem, könntet Ihr Eure doppelte Ablehnung,
einmal, Eure Schiffe zu verkaufen, das zweitemal, sie zu vermieten, nicht durch irgendein Zugeständnis mildern, um zu beweisen,
daß Ihr ein treuer Untertan des Königs seid und ihm gerne dient?«
»In dem letzten Treffen habe ich dem König gut gedient, und nicht nur so getan«, sagte La Luthumière voller Stolz. »Muß ich
daran erinnern? Ich habe den Engländern drei Schiffe versenkt und vier gekapert. Und wenn die Engländer wiederkommen, |286| um La Rochelle zu unterstützen – und das werden sie, tapfer und hartnäckig, wie sie sind –, dann denke ich noch mehr zu tun.
Ich werde ihnen auf den Schwanz treten, wenn sie kommen, und wieder, wenn sie abziehen. Auf die Weise werde ich dem König
ebenso gut dienen wie der Deich, die Palisaden, die Küstenbatterien und sämtliche Admiräle Frankreichs.«
Das Zugeständnis war klein, aber ich tröstete mich mit dem Gedanken, daß ich es dem Kardinal als eine bindende Verpflichtung
La Luthumières darstellen konnte, der zukünftigen englischen Expedition mit all seiner Kraft zu schaden. Im übrigen muß ich
sagen, daß La Luthumière mich von seiner Entscheidung völlig überzeugt hatte und daß es gewiß besser war, diese feurige Dogge
nicht an die Leine zu legen, sondern ihr freien Lauf und ihre eigene Kampfart zu lassen.
So nahm ich von ihm Abschied. Mein Auftrag war erfüllt, dem Drängen des Kardinals gemäß hätte ich noch am selben Tag nach
La Rochelle zurückkehren müssen. Das aber hätte geheißen, Madame de Brézolles nicht mehr allein zu sehen. Deshalb sagte ich,
als La Luthumière und ich uns zu den Damen im Salon gesellten, wie beiläufig, ich würde erst am übernächsten Morgen reisen,
so konnte meine Liebste mich am folgenden Tag durch ein Billett zum Mittagessen nur mit ihr bestellen, denn die La Luthumières
wollten dann einen Freund in Ligné, einige Meilen von Nantes entfernt, besuchen.
Madame de Brézolles schien ebenso »unpäßlich« wie das erste Mal, denn wieder speisten wir in dem kleinen Kabinett neben ihrem
Schlafzimmer. Das Essen war gut wie immer, aber wir ehrten es nur zerstreut, anderer Wonnen harrend, obgleich wir wußten,
welche Melancholie sie begleiten würde. Am nächsten Morgen mußte ich in aller Frühe aufbrechen, um ins Feldlager von La Rochelle
zurückzukehren, und der Teufel mochte wissen, wie lange diese neuerliche Trennung dauern würde, denn sie konnte ja erst enden,
wenn La Rochelle sich dem König ergab.
Nachdem unser Verlangen gestillt war, fand ich neue
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