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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Himmelbett, Gardinen, Möbel, alles war genauso.
    »Ja, ob in Nantes oder Brézolles«, erklärte sie, »mein Nest mag ich nicht wechseln.«
    |283| Damit faßte sie mich bei der Hand und führte mich zur Wiege mit den Worten: »Hier, Monsieur, ist Euer Sohn.«
    Ich muß gestehen, Leser, bis zu diesem Tag hatte ich mir, wie die meisten Männer, nie viel aus kleinen Kindern gemacht und
     sie eher für unerträgliche und übelriechende Schreihälse gehalten. Aber mit dem eigenen wird natürlich alles anders: Wenn
     es schreit wie am Spieß, sagt man, es hat gute Lungen, und wenn es seine Windeln vollmacht, es hat eine gute Verdauung. Offen
     gestanden, das liebliche Knäblein, das er werden würde, sah man dem Säugling noch nicht recht an, er hatte die Augen geschlossen,
     ein etwas dickliches Gesicht und kaum Haare auf dem Kopf, vor allem war vor Wickeltüchern von seinem Körper nichts zu sehen.
     Aber schließlich war es mein Sohn, und je länger ich ihn betrachtete, wie er da mit seinen geschlossenen Fäustchen schlief
     (was für kleine Hände er hatte!), desto tiefer war ich bewegt, desto höher schlug mir das Herz in der Brust.
    »Laßt uns gehen«, sagte Madame de Brézolles leise, »wenn er uns spürt, wacht er auf.«
    Und plötzlich warf sie sich in meine Arme und bedeckte mein Gesicht über und über mit Küssen, und ihre Lippen waren so emsig,
     daß ich Mühe hatte, sie mit meinen zu fangen. Seltsam, daß mir in diesem Augenblick einfiel, was Homer in der »Odyssee« so
     schön sagt, wenn Odysseus nach zwanzigjähriger Abwesenheit zu Penelope zurückkehrt: »Jene bestiegen / Freudig ihr altes Lager,
     der keuschen Liebe geheiligt.«
    ***
    Es ist wahr, ich wäre Monsieur de La Luthumière, der sich für den König der Meere und den Vizekönig von Cherbourg in einem
     hielt, schwerlich begegnet, wenn Madame de Brézolles mich am folgenden Tag nicht zugleich mit ihren Gästen zum Mittagsmahl
     eingeladen hätte. Doch sogar bei Tisch blieb er so distanziert und eisig, daß ich ihn wohl kaum zu einem Gespräch unter vier
     Augen hätte bewegen können, hätte ich nicht angedeutet, daß der König ihn für seine Heldentat mit einem höheren Adelsrang
     zu belohnen gedenke.
    Bei diesen Worten nämlich spitzte Madame de La Luthumière ihre niedlichen Ohren und blickte ihren Gemahl auf eine |284| Weise an, die mich voll überzeugte, daß derjenige von beiden, der den anderen geentert, gekapert und zum Traualtar geführt
     hatte, nicht der Korsar des Königs war. Die Dame war übrigens ein wahres Kleinod von einem Weib, ebenmäßig geformt, wenige
     Reize, die aber in ständiger Bewegung, feurige Augen und ein Mündchen, um alle Männer der Schöpfung zu verknuspern. Von gutem,
     aber kleinem Adel, war sie durch die Eroberung La Luthumières und seines großen Reichtums, der beileibe nicht nur aus Schiffen
     bestand, Baronin geworden. Damit war ihr Ehrgeiz jedoch nicht gestillt, sie wollte Marquise werden. Sie hieß mit Vornamen
     Charlotte, und Madame de Brézolles meinte, ihr Mann habe die zweitausendsechshundert Livres teure Glocke, die er seiner Gemeinde
     gestiftet hatte, mit gutem Grund »Charlotte« getauft: Die einzige Stimme, auf die er jemals hörte, war seine Frau.
    Charlotte also hatte ihn angesehen, eher einschmeichelnd übrigens als herrisch, und das genügte. Nach dem Käse wechselten
     die Damen einverständige Blicke und zogen sich zurück. La Luthumière holte eine kurze Pfeife hervor, und während er sie stopfte,
     fragte er, welches Anliegen ich an ihn hätte. Nach seinem Ton hätte man denken können, ein König erweise einem Gesandten die
     Gnade, ihn zu empfangen.
    Dabei war La Luthumière keine unangenehme Erscheinung, mit seinem sonnengebräunten Gesicht, das ebenso kantig war wie sein
     ganzer Bau, der kraftvollen Nase, einem Kinn wie ein Bug und blitzblauen Augen. Und sobald das Gespräch in Gang kam, war es,
     als lege er einen Panzer ab, er sprach weder unhöflich noch unfreundlich, doch kamen seine Antworten gebieterisch und rasch.
    »Baron«, sagte ich, indem ich mich seinem Ton anzugleichen suchte, »der Auftrag, den der König mir erteilt hat, ist schlicht
     und einfach der: Er möchte Euch die vier Kriegsschiffe abkaufen, die Ihr den Engländern gekapert habt.«
    »Nein«, sagte La Luthumière sofort, »ausgeschlossen, das will ich nicht.«
    Weil er jedoch merkte, daß seine Antwort etwas harsch ausgefallen war, bemühte er sich, sie ein wenig nachzubessern.
    »Wenn es dem König,

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