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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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kläglich zumute.«
    »Warum, Nicolas?«
    »Ihr wißt doch, Monseigneur, wenn die Belagerung zu Ende ist, muß ich Euch verlassen und bei den Königlichen Musketieren einrücken.«
    »Was gibt es Besseres als dieses Elitecorps?«
    »Gewiß, Monseigneur, aber ich verstand mich so gut mit Euch.«
    |328| Daß er das so treuherzig aussprach, bewegte mich tief. Und zum ersten und wohl auch letzten Mal machte ich aus meiner Bewegung
     keinen Hehl.
    »Nicolas«, sagte ich, »vergiß eines nie: Auch wenn ich einen Nachfolger für dich finde – ersetzen kann dich mir keiner.«
    Ihm traten Tränen in die Augen, und rasch bat er mich, gehen zu dürfen. Als sich die Tür hinter ihm schloß, fühlte ich mich
     verlassen, als ginge auf lange Zeit ein Sohn von mir. Doch dieses innerlich gesprochene Wort »Sohn« hatte eine glückliche
     Wirkung: Auf einmal tauchte in mir das Bild eines kleinen Kerlchens auf, das mit geschlossenen Fäusten in seiner Wiege schlief.
     Und mich durchströmte eine unsägliche Freude, sofern dieses Adjektiv sich nicht selbst aufhebt, weil es sagt, was es nicht
     zu sagen vorgibt. Leser, verzeih mir die Spitzfindigkeit, »mich schläfert’s«, wie Henri Quatre sagte.

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    |329| DREIZEHNTES KAPITEL
    Am nächsten Morgen, kaum daß der Tag anbrach, fuhr eine Karosse des Kardinals bei uns vor, in welcher der Chevalier de Meaux
     und ein mir unbekannter sehr hagerer Edelmann saßen, um Lord Montagu abzuholen und zur Poststation zu bringen, von wo er mit
     einer Eilkutsche der Kabinettskuriere weiterreisen würde.
    Lord Montagu war gerade erst aufgestanden, weil ihm der köstliche und verräterische französische Wein vom Vorabend noch in
     Haupt und Gliedern steckte, und Madame de Bazimont schickte ihm Luc zur Hilfe, getraute sich aber nicht selbst in die Nähe
     seines Zimmers. Doch erschien unsere Haushofmeisterin dann auf der Freitreppe, als er von uns Abschied nahm, und machte ihm
     eine so tiefe, herzbebende Reverenz, daß ich mir gut vorstellen konnte, in welche balsamischen Düfte gehüllt sie die Erinnerung
     an den Lord für den Rest ihres Lebens bewahren würde. Ihr Gruß verfehlte die Wirkung auf Lord Montagu nicht. Er erwiderte
     ihn mit einer Ehrerbietung, als wäre sie eine Herzogin. Und der Ärmsten traten Tränen in die Augen. Mein Gott, dachte ich,
     wie traurig ist es, alt zu werden! Die Liebe ist nur mehr ein fahler, illusorischer Abglanz dessen, was sie einmal war.
    Vor der Abfahrt bat mich der Chevalier de Meaux, ein schmucker junger Mann, um eine vertrauliche Unterredung. Er sagte mir,
     der ihn begleitende Edelmann sei ein gewisser Sir Francis Kirby, Oberst der englischen Garnison von La Rochelle. Ihm sei es
     in der vergangenen Nacht gelungen, ungehindert durch das Tasdon-Tor zu entkommen, so schlecht werde es derzeit bewacht. Waffenlos
     sei er am Graben des Hauptmanns von Bellec aufgetaucht. Die Soldaten hätten laut Befehl auf ihn schießen müssen, taten es
     aber nicht, weil sie völlig fassungslos gewesen seien über seinen hohen Wuchs und seine Reglosigkeit. Er habe, sagten sie
     ihrem Gefreiten, als er sie deswegen rüffelte, ausgesehen wie ein Skelett in Uniform, und sie hätten es nicht |330| über sich gebracht, auf diesen lebenden Leichnam zu schießen. Es sei überhaupt ein Wunder, daß er noch aufrecht gehen könne.
    Hauptmann von Bellec habe den Oberst zum Kardinal gebracht, der dem abgezehrten Mann erst einmal eine Gemüsebrühe vorsetzen
     ließ. Darauf habe Richelieu den Engländer mit seiner Kutsche zu mir nach Brézolles bringen lassen, damit ich mich seiner annähme.
     Ich solle mich von ihm so genau wie möglich über die gegenwärtige Lage der Rochelaiser und der englischen Garnison unterrichten
     lassen. So rief ich denn Madame de Bazimont, damit sie Sir Francis helfe, die Freitreppe zu erklimmen, so unsicher schien
     er mir auf den Beinen. Und sie widmete sich ihm sogleich mit allem Eifer, denn ihre mütterliche Ader regte sich bereits wieder
     bei dem Gedanken, einen zweiten Engländer zu umsorgen.
    Lord Montagu, der mir nicht die kleinste Frage nach Sir Francis stellte, ihn nicht einmal anblickte, so diskret war er, schloß
     mich zum Abschied in die Arme und sagte, wenn ich einmal Gelegenheit fände, ihn in England zu besuchen, würde er mir vom Tor
     bis zu seiner Freitreppe einen Perserteppich ausrollen lassen … Woran man sieht, dachte ich, daß sogar ein Engländer aufschneiden
     kann.
    Endlich fuhr die Karosse ab, und während ich ihr

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