Kardinal vor La Rochelle
und für sie um
Vergebung bittet. Ich weiß, wie ich mit meinen Untertanen umzugehen habe.«
Ich bewunderte diese rauhe, aber gerechte Antwort. Und ich bewunderte sie um so mehr, als ich wußte, daß Richelieu keinen
Anteil daran haben konnte, weil er Montagu noch gar nicht getroffen hatte und also nicht wissen konnte, was er dem König vortragen
würde. Und ich prägte mir Ludwigs starke Worte gut ins Gedächtnis ein, damit ich sie bei Gelegenheit parat hätte, um sie dem
erstbesten Lästermaul bei Hofe an den Kopf zu werfen, das in meiner Gegenwart zu unterstellen wagte, Ludwig sei kein politischer
Kopf. Als ich besagte Worte aber für Lord Montagu ins Englische übersetzte, gab ich mir Mühe, ihre Schärfe sowohl durch die
Wortwahl als auch durch den Ton ein wenig abzumildern. Im übrigen beobachtete ich, daß Ludwig am Ende der Audienz selbst eine
beachtliche Anstrengung um Liebenswürdigkeit unternahm. Er teilte Lord Montagu mit, daß der Kardinal ihn auf das Admiralsschiff
zum Essen einlade, zusammen |324| mit dem Kommandeur von Valençay, dem Marquis d’Effiat und mir, und daß er bedauere, ihn nicht begleiten zu können, weil er
sich in einer äußerst dringenden Angelegenheit nach Surgères begeben müsse. Lord Montagu bedankte sich bei Ludwig sehr warmherzig
und geizte nicht mit Hutschwenken noch Reverenzen. Ich aber mußte insgeheim schmunzeln, denn natürlich wußte ich, daß die
äußerst dringende Angelegenheit, die den König erwartete, die Jagd war.
Anschließend an diese Audienz fragte mich Lord Montagu, wer der Marquis d’Effiat sei.
»Dieser Herr«, sagte ich, »ist unser Oberintendant der Finanzen. Er ist es, der das Geld auftreibt, aufgetrieben hat und auftreiben
wird, um die Belagerung aufrechtzuerhalten.«
»Findet er denn nach einem Jahr Belagerung noch etwas?« fragte Montagu.
»Bestimmt.«
»Ein Jammer«, sagte Lord Montagu lachend, »daß er keinen Doppelgänger hat. Ich würde ihn mitnehmen nach England und König
Karl schenken.«
***
Lord Montagu wohnte und speiste auf Brézolles, und kaum daß wir bei Tisch saßen, kam ein Diener des Kardinals und überbrachte
unserem Gast im Auftrag Seiner Eminenz zwei Flaschen des besten Weins und so schöne Birnen, daß sie einem beim bloßen Ansehen
auf der Zunge zergingen. Montagu war so beglückt, daß er den Diener ums Haar abgeküßt hätte. Besonders die Birnen entzückten
ihn, immerhin war er fast einen Monat auf See gewesen, ohne eine Frucht auch nur zu sehen, und ihm kamen beinahe die Tränen,
daß der Kardinal daran gedacht hatte. Der Berittene erhielt zum Dank ein Goldstück und sperrte vor Überraschung den Mund auf,
und Madame de Bazimont wurde gebeten, die kostbaren Gaben auf das Zimmer des Lords bringen zu lassen.
»My dear Duke«
, rief er begeistert,
»your Richeliou is marvellous! How thoughtful! How considerate!«
Was ich, schöne Leserin, übersetzen würde mit: Mein lieber Herzog, Euer Richelieu ist fabelhaft! Wie aufmerksam! Wie zartfühlend!
Und ich würde hinzusetzen: Und wie geschickt in der Wahl der Geschenke, denn hätte der Kardinal dem Lord |325| kostbarere Dinge gesandt, hätte dieser argwöhnen können, man wolle ihn kaufen. Wie aber sollten ihn so bescheidene und für
einen Protestanten so bibeltreue Gaben kränken können?
Birnen und Wein war ein Brief beigefügt. Lord Montagu erbrach das Siegel, und als er sah, daß das Schreiben französisch abgefaßt
war, erbat er meine Hilfe.
Da er am nächsten Tag die Postkutsche zu nehmen gedachte, um nach England zurückzukehren und von König Karl genaue Instruktionen
für den Friedensschluß einzuholen, ließ Richelieu ihn wissen, daß Ludwig beschlossen habe, ihm als Reisegefährten den Chevalier
de Meaux mitzugeben, der mit einem königlichen Paß, ausgestellt auf ihrer beider Namen, versehen sein und ihm das Betreten
und Verlassen der Städte an den Poststationen sehr erleichtern werde. Im übrigen werde der Chevalier de Meaux, nachdem er
ihn bis Saint-Malo begleitet hätte, dort auf seine Rückkehr warten, um ihn ohne Verzug und Aufhaltung wieder ins Lager von
La Rochelle zu bringen.
Lord Montagu war hocherfreut über dieses Angebot. Er gestand mir, daß er seiner Reise bislang mit einigem Unbehagen entgegengesehen
habe, weil er unserer Sprache nicht mächtig sei und sich gut denken könne, daß Engländer, wenigstens derzeit, im Reich keine
allzu willkommenen Gäste seien. Der Brief des Kardinals
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