Kardinal vor La Rochelle
Garnichts?«
|84| »Er reitet mit seinen Feldmeistern durchs Lager und übt bissige Kritik an den Befestigungen und Schanzen, die Angoulême zu
Beginn der Belagerung hat bauen lassen.«
»Nicht sehr höflich.«
»Noch weniger höflich geht er mit den Sendschreiben des Herzogs um.«
»Hast du es selbst gesehen?«
»Nein, es wurde mir berichtet. Er öffnet das Schreiben, wirft einen kurzen Blick drauf, knittert es auflachend zusammen und
stopft es in sein Wams. Und wenn er abends bei Kerzenlicht eines erhält, verbrennt er es sogar, ohne ein Wort zu verlieren.«
»Achtet er wenigstens auf die Sicherheit im Lager?«
»Hervorragend, wie ich hörte. Ebenso hält er auf strenge Disziplin bei den Soldaten, auf Ordnung und Sauberkeit.«
»Konntest du erfahren, ob er versucht hat, mit den Aufständischen von La Rochelle in Verbindung zu treten?«
»Das hat er nicht. Auch sie kritisiert er schneidend. Es seien große Narren, sagt er: Die Habgier habe sie verdorben. Als
Buckingham die Insel Ré besetzt hatte, sollen sie ihm zu Höchstpreisen ihre gesamten Fleischvorräte verkauft haben, ohne zu
bedenken, daß sie zu Lande bereits eingeschlossen waren und es früher oder später auch zur See sein würden. Unseren Spionen
zufolge haben sie große Mengen an Musketen, Kanonen, Kugeln und Pulver angehäuft, aber das Lebensnotwendige vergessen: die
Nahrung.«
»Nicolas«, sagte ich, »wie hat Bassompierre die Ankündigung unseres Besuchs aufgenommen.«
»Er hat gelacht.«
»Gelacht?«
»Aber nicht boshaft, im Gegenteil.«
»Was hat er genau gesagt?«
»›Donnerwetter!‹ rief er. ›Rührt sich Ludwig endlich! Schickt mir Siorac und Orbieu, seine schwersten Geschütze! Wenigstens
wird es mich freuen, die beiden zu sehen! Daß sie aber nicht denken, sie könnten große Löcher in meine Bastion schießen. Mein
Entschluß steht fest. Ich verlasse diesen Ort. Hier ist sowieso nichts anzufangen bei diesem ewigen Wind und Regen.‹ Damit,
Herr Graf, entließ er mich.«
»Was sagt Ihr dazu, Herr Vater?« fragte ich, nachdem Nicolas gegangen war.
|85| »Um es rundheraus zu sagen, geht es hier für mein Gefühl nicht so sehr um Querelen mit Angoulême als vielmehr um einen Unwillen
gegenüber dem König. Das getreue Pfarrkind hat die Pfarre gewechselt, und deren Geruch gefällt mir nicht.«
»Es wird Zeit«, sagte ich, »uns diesem Geruch auszusetzen. Sehen wir, ob er wirklich so mephitisch ist.«
Und wir machten uns nicht eben leichten Herzens auf nach Chef de Baie, so sehr beunruhigte uns der Gedanke, unser alter Freund
könnte denselben bösen Faden spinnen wie die diabolischen Reifröcke am Hof.
***
Obwohl Bassompierre den Unzufriedenen spielte und sich über alles beklagte, bewohnte er doch das schönste Haus von Chef de
Baie, mit einem weiten Ausblick aufs Meer. Er empfing uns voller Höflichkeit, in der allerdings eine gewisse Distanz unverkennbar
war.
Er ging damals auf die Fünfzig zu, war aber, wie mein Vater es biblisch ausdrückte, »noch prangend im Fleische«, ein sehr
ansehnlicher Kavalier, schlank, aufrecht, mit dem elastischen Gang eines Mannes, der sich ein Leben lang allen möglichen körperlichen
Übungen unterzogen hatte und der stets maßvoll aß und trank. Obwohl sechs Jahre jünger als Angoulême, wirkte er doch weniger
jugendlich als der Herzog mit seiner heiteren, gutmütigen Art, denn Bassompierre, der durch mehr Geist und Wissen glänzte,
war verzehrt von seinen Leidenschaften, von Stolz und Ehrgeiz vor allem.
Die hochmütige, ja sarkastische Miene, die man jetzt an ihm sah, habe er als junger Mann nicht gehabt, sagte mein Vater nachher,
und La Surie, der sich gern über alles lustig machte, behauptete, die trage er erst seit seiner Vermählung mit meiner Halbschwester
zur Schau. »Weil er mit einer Prinzessin schläft«, sagte er, »bildet er sich ein, die Vermischung mit ihr mache ihn selbst
zum Prinzen.«
Bassompierre labte uns mit einem Becher Loire-Wein und übernahm sofort die Gesprächsführung, was ich wenig gehörig fand, wußte
er doch, daß wir im Auftrag des Königs kamen.
»Meine Herren«, sagte er, »es scheint mir angebracht, daß wir uns nicht mit langen Vorreden aufhalten. Ich weiß, weshalb Ihr
hier seid, welche Vereinbarung Ihr mit mir zu treffen sucht |86| und auf wessen Geheiß. Erlaubt, daß ich Euch freimütig meine Meinung dazu sage.«
Hierauf folgten ungefähr die gleichen Reden, die wir schon aus Schombergs Mund gehört
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