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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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hatten: Als Marschall von Frankreich
     könne er nicht an zweiter Stelle befehligen. Mit dem Moment, da Seine Majestät ins Lager eingezogen sei, liege bei ihr und
     ihr allein der Oberbefehl der Truppen und nicht mehr bei Angoulême.
    »Im übrigen«, fuhr er fort, »wurde Angoulême nicht durch Ratsbeschluß ernannt, sondern durch Lettre de cachet, das heißt,
     sein Titel ist zeitlich begrenzt und jederzeit widerrufbar.«
    »Der Herzog könnte doch den Titel behalten«, sagte ich, »ohne tatsächlich Gebrauch davon zu machen.«
    »Das wäre eine Möglichkeit«, sagte Bassompierre mit einem Funkeln in den Augen. »Und wenn der Herzog von Angoulême sich dazu
     bequemte, täte er gut daran, denn seine kriegerischen Verdienste, muß ich sagen, sind doch sehr mäßig. Er brüstet sich, vierzig
     Jahre bei den Waffen zu stehen. Aber zunächst einmal muß man von diesen vierzig zwölf Jahre Bastille abziehen, in denen er
     nur über seine Schönen befehligte.«
    »Immerhin«, sagte mein Vater, »hat er unter Henri Quatre bei Arques, Vitry und Fontaine Française gekämpft.«
    »So wie auch Ihr, mein lieber Marquis«, sagte Bassompierre, indem er sich verneigte, »und so wie Ihr äußerst tapfer, aber
     als Chevalier und nicht als Oberbefehlshaber.«
    »Nachdem er die Bastille verlassen hatte«, sagte ich, »über gab ihm die Regentin eine Armee, und dasselbe tat später der König.«
    »Und was hat er geleistet? Hat er auch nur einen entscheidenden Sieg errungen? Eine wichtige Stadt eingenommen? Welche Trophäen
     hat er denn vorzuweisen?«
    Das war die Wahrheit. Dasselbe hätte mir auch Schomberg entgegenhalten können. Aber daß er es gerade nicht getan hatte, für
     diese noble Zurückhaltung wußte ich ihm nachträglich um so mehr Dank, als ich die Herabsetzung Angoulêmes durch Bassompierre
     unziemlich fand.
    »Herr Marschall«, sagte ich, »ich weiß jetzt, was Ihr nicht wollt. Eure Wünsche kenne ich noch nicht.«
    »Letzteres hängt ab von ersterem«, sagte Bassompierre. »Ich will Angoulême nicht über mir haben, und wenn man ihn mir |87| aufzwingen will, kehre ich, ohne zu klagen, nach Paris zurück, spiele den Bürger und warte, bis Seine Majestät mir ein anderes
     Kommando überträgt.«
    Ich war entgeistert. So sprach nicht ein Diener des Königs, sondern einer, der sich so hochstehend wähnte, daß er seinem Herrscher
     Forderungen stellen konnte, anstatt ihm zu gehorchen.
    Dieser Sinn seiner Worte war für mich unmißverständlich klar, auch wenn Bassompierre ihn bemäntelte, indem er sich mit wenig
     überzeugendem Stoizismus als Opfer darstellte. Er würde klaglos gehen, sagte er, dabei hatte er von Anfang an nichts anderes
     getan als sich zu beklagen. Und ebenso mißfiel mir seine geheuchelte Bereitschaft, in Paris den Bürger zu spielen. Hieße das
     nicht: Seht nur, wie man mich behandelt! Ich werde gezwungen, den Degen einzustecken und zu leben wie ein Hampelmann vom Dritten
     Stand!
    »Herr Marschall«, sagte ich endlich, denn ich durfte nicht länger schweigen, ohne daß Bassompierre es als Mißbilligung verstehen
     mußte, »nachdem Ihr uns erklärt habt, was Ihr ablehnt, beliebt uns jetzt zu sagen, was zu tun ist, damit Ihr nicht nach Paris
     zurückkehrt, sondern unter uns bleibt.«
    »Mein lieber Graf«, sagte Bassompierre, »Ihr werdet in Euren Missionen zweifellos bestens reüssieren. Ihr versteht, wann ein
     nein ein nein ist und wann es vielleicht heißt. Das ermutigt mich, ganz offen zu sprechen. Ich will in Chef de Baie meine
     eigene Armee haben, samt Artillerie, Verpflegung und Finanzen.«
    »Das ist viel!« rief ich erschrocken aus, denn stellte sich Bassompierre damit nicht gleichsam auf eine Stufe mit dem König?
    Sanft fragte ihn mein Vater: »Wäret Ihr wenigstens bereit, noch Befehle entgegenzunehmen?«
    »Vom König, ja«, sagte Bassompierre, »aber nur vom König.«
    »Herr Marschall«, sagte ich und verneigte mich, »ich werde Seiner Majestät Eure Forderungen getreulich übermitteln.«
    »Nicht Forderungen, mein lieber Graf, sagt Bitten, das klingt höflicher.«
    Er wollte uns einen Abschiedstrunk kredenzen, doch wir verzichteten, und er erhob sich, so daß uns nichts übrigblieb, als
     uns zu verabschieden. Trotzdem stellte mein Vater ihm eine letzte Frage.
    |88| »Herr Marschall, mit Verlaub, wie denkt Ihr über diese Belagerung?«
    »Wie ich darüber denke?« sagte Bassompierre, indem er lächelnd die Brauen hob. »Wie ich darüber denke? Nun, Ihr werdet sehen:
     Wir

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