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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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aufschrien und die anderen sich die Tränen nicht
     verhalten konnten. »Vielen Dank, Herr Graf!« rief man mir zu, was mich verblüffte, denn damit die Herzogin sich entscheiden
     konnte, bei den Rochelaisern zu bleiben, hatte ich sie immerhin fragen müssen, ob sie nicht fortgehen wolle. Auf jeden Fall
     hatte diese Freude etwas sehr Ansteckendes, und fast hätte ich sie geteilt und mich ebenso glücklich gefühlt wie diese Leute,
     daß der Gegenstand ihrer großen Liebe sie nicht verlassen wollte.
    |166| Trotzdem hielt ich es für ratsam, nicht länger zu verweilen, und trieb meine Accla an. Ich fürchtete, daß jemand aus der Menge
     mich wegen der Frauen und Kinder fragte, und das hätte für meinen Gebieter wie für mich alles verdorben. Zum Glück öffnete
     mir Hauptmann Sanceaux diesmal unverzüglich das Tor.
    Das Geräusch, mit dem sich das Tor hinter mir schloß, tat weh. Ich kehrte zurück in die Freiheit, aber die armen Rochelaiser
     blieben in ihren eigenen Mauern gefangen, von unseren Brandgeschossen bombardiert, wenn auch noch nicht zum Verhungern verdammt,
     so doch zu kargen Rationen, und von Tag zu Tag mehr enttäuscht, daß im Bretonischen Pertuis die Segel der englischen Hilfsflotte
     noch immer nicht auftauchten.
    »Du bist so still, Nicolas«, sagte ich, als wir uns bereits Saint-Jean-des-Sables näherten. »Was denkst du von alledem?«
    »Von den Hugenotten, Herr Graf?« sagte Nicolas, als erwache er aus einem Traum.
    »Zum Beispiel!«
    »Ich hatte noch nie so viele gesehen«, sagte Nicolas. »Es schienen mir aber alles gute, ehrenwerte Leute zu sein und genauso
     Franzosen wie ich.«
    »Gewiß! Nur haben sie das Edikt von Nantes gebrochen, haben die katholischen Priester aus La Rochelle verjagt, die Kirchen
     besetzt, ihren schönsten Schmuck zerstört und sich seit achtzehn Jahren immer wieder gegen den König empört.«
    Aber Nicolas ging darauf nicht ein, er träumte und sagte nichts mehr, bis wir im Schloß Brézolles anlangten.
    Der Tisch war schon für uns zum Mittagessen gedeckt, und nachdem wir heißhungrig die ganze köstliche Mahlzeit bis zum letzten
     Rest verspeist hatten, ließ Madame de Bazimont uns heißen, gezuckerten Kräutertee auftragen. Tee gab es sonst nur nach dem
     Abendessen. Sie habe aber gemeint, sagte sie, daß er uns bei dem windigen, kalten Wetter guttäte, zumal es bei Frau von Rohan
     doch sicherlich kein Feuer gegeben habe, denn woher sollte das Holz kommen? In einer Stadt wüchsen ja keine Wälder.
    All diese Bemerkungen hatten aber den Zweck, Fragen nach der Frau Herzogin von Rohan einzuleiten, für die unsere Haushofmeisterin
     sich brennend interessierte. Ich tat mein Bestes, |167| ihre Neugier zu befriedigen, ohne jedoch etwas über meine Mission preiszugeben, und hocherfreut und stolz ging sie davon,
     um das alles, wie sie mir anvertraute, in ihrem Tagebuch festzuhalten, das sie seit vierzig Jahren führe, das sie mir aber
     nicht zeigen könne, weil ihre Rechtschreibung nicht so gut sei.
    »Schlechter als die meiner Patin, der Herzogin von Guise, kann sie gar nicht sein«, sagte ich.
    »Wennschon!« sagte Madame de Bazimont. »Bei Frau von Guise kommt es darauf nicht an. Sie ist eine Herzogin.«
    Dann durchbrach nur noch das Geräusch unserer Kehlen die Stille, wenn wir unseren Tee schluckten, so ganz und gar abwesend
     blieb Nicolas.
    »Mein Junge, was ist mit dir?« sagte ich schließlich. »Du sprichst kein Wort! Bist du dein eigenes Gespenst geworden? Wer
     hat dir dein Herz, deine Stimme, deine Munterkeit gestohlen? Ist dir dein Herr so gleichgültig geworden, daß du ihm auf einmal
     der traurigste Gefährte bist?«
    »Ach, Herr Graf!« sagte Nicolas, den diese Anklage endlich aus seinem Brüten riß. »Wie könnt Ihr zweifeln, daß ich Euch immer
     liebe! Aber ich bin der unglücklichste Mensch auf Erden.«
    »Unglücklich, Nicolas, oder verliebt?«
    »Alles beides«, sagte Nicolas, und Tränen quollen ihm aus den Augen. »Das eine hängt doch am anderen.«
    »Wieso unglücklich?« fragte ich stirnrunzelnd. »Wie kannst du unglücklich sein, nachdem ein Mädchen wie Mademoiselle de Foliange
     dich fast eine Stunde lang mit ihren Blicken verschlungen hat, ein Fräulein, das nicht nur wunderschön ist, sondern auch mit
     den höchsten Familien des Reiches verwandt?«
    »Das ist es ja eben!« sagte Nicolas. »Mademoiselle de Foliange steht zu hoch für mich.«
    »Wie das?« sagte ich. »Bist du nicht ein wohlgeborener Edelmann, Bruder eines

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