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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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hat nicht vergessen, daß er Euer Cousin ist, und sorgt sich der Entbehrungen und Gefahren
     wegen, in denen Ihr lebt. Darum läßt er Euch durch mich sagen, wenn Euer Leiden so groß werden sollte, daß es Euer Leben bedroht,
     wäre er glücklich, Euch einen Passierschein auszustellen, mit dem Ihr durch das Feldlager hindurchgelangen könntet, um Euch
     fern der Kanonaden auf ein Schloß Eurer Wahl zurückzuziehen.«
    »Graf«, sagte Frau von Rohan, »bitte, dankt dem König für seine gute Gesinnung. Aber meine Wahl habe ich mit Beginn |164| dieser Prüfung getroffen: Ich will das Los der Rochelaiser bis zum Schluß teilen und werde, wenn es der Wille des Herrn ist,
     bei ihnen bleiben bis zum Tod.«
    Ich fand, offen gestanden, daß sie sich ein bißchen sehr in den
peplum
des Heroismus hüllte. Aber letztlich steckt ja in jeder Tapferkeit ein Gran Theater. Doch da Frau von Rohan lebte, was sie
     sagte, entbehrte ihr Entschluß nicht der Größe.
    Sie verabschiedete mich, ich grüßte ihre Tochter und Mademoiselle de Foliange voll Bedauern, daß es nun hieß, ins rauhe Soldatenlager
     zurückzukehren, beraubt um die liebenswerte weibliche Gesellschaft, ohne die unser Leben hienieden eine trübselige Wüstenei
     wäre.
    Mein armer Nicolas ging wie blind, nachdem er die schönen Augen hatte lassen müssen, die für ein Stündchen sein junges Leben
     durchstrahlt hatten, und strauchelte auf der Treppe, so daß er fast gestürzt wäre, wenn ich ihn nicht am Arm gehalten hätte.
     Im Vestibül traf ich erfreut den Sekretär, Gilles Arnaud, wieder, der mir meinen Degen aushändigte.
    »Monsieur«, sagte ich leise, »könnt Ihr mir erklären, warum der Hauptmann Sanceaux mir den Zutritt zur Stadt verweigern wollte,
     obwohl der Stadtrat ihn doch von meiner Ankunft unterrichtet haben mußte? Hatte er nicht die Order erhalten, mich einzulassen?«
    »Doch, doch, Herr Graf. Er wußte nur nicht, daß Ihr die Frau Herzogin besuchen wolltet, und vermutete, da bahne sich eine
     geheime Verhandlung an. In unserer Stadt, müßt Ihr wissen, gibt es zwei Parteiungen. Die einen sind für Verhandlungen, die
     anderen sind strikt dagegen. Zu denen gehört Sanceaux.«
    »Und wie kommt es, Monsieur«, sagte ich, »daß ein Königlicher Rat Eure Mauern betritt, und weder der Bürgermeister noch ein
     Mitglied des Stadtrats sucht mit ihm die Begegnung?«
    »Aus ebendem Grund, Herr Graf, um nicht verdächtigt zu werden, man wolle geheime Absprachen treffen.«
    »Heißt das«, sagte ich, »daß man abwarten muß, bis alle Rochelaiser verhandeln wollen? In dem Fall kommt es dazu wohl nie?«
    »Das fürchte ich«, sagte Gilles Arnaud leise, indem er traurig den Kopf schüttelte. »Und mit jedem Tag, den Gott werden läßt,
     fällt man ein wenig mehr vom Fleisch, und bald sehen wir keinen neuen Tag mehr. Ich bin gewiß so gläubig wie jeder andere, |165| gehe eifrig zum Gottesdienst, singe inbrünstig die Psalmen und bete, aber ich verlasse den Tempel ebenso hungrig, wie ich
     ihn betreten habe. Von Psalmen, so schön sie sind, wird man nicht satt.«
    ***
    Vor der Tür des Hôtel Rohan hatte sich eine kleine Ansammlung um die Gendarmen gebildet, die unsere Pferde hielten, und diese
     wurden von allen angestarrt, schön und blank, wie sie waren, so daß sie bei den Betrachtern durchaus Begehrlichkeiten wecken
     mochten, die alles andere als reiterlich waren.
    Wir saßen auf, Nicolas und ich, und eine Menge folgte uns zum Fort de Tasdon, ohne eine Drohung oder ein böses Wort auszustoßen,
     vielmehr als bedauere man, daß Freiheit und Wohlbefinden, die von uns ausgingen, die Stadt so schnell wieder verließen.
    Einige Klafter vor dem Fort zog ein Mann, der die anderen um Haupteslänge überragte, seinen Hut.
    »Herr Graf«, sagte er, »will die Frau Herzogin uns verlassen?«
    Die Frage rief in der Menge Erregung hervor, und mehrere Stimmen griffen sie angstvoll und klagend auf.
    Ich zügelte meine Accla, zog ebenfalls meinen Hut, und nachdem ich in die Runde gegrüßt hatte, was die Rochelaiser so sehr
     erstaunte, daß sie verstummten, erhob ich meine Stimme, damit jedermann mich höre.
    »Seine Majestät«, sagte ich, »war in Sorge um das Befinden seiner Cousine, der Herzogin von Rohan, und gewährte ihr die Freiheit,
     sich auf ein Schloß zurückzuziehen. Aber die Frau Herzogin will es durchaus nicht, sie will bis zum Ende der Belagerung bei
     euch bleiben.«
    Bei diesen Worten war die Freude in der Menge so groß, daß die einen jubelnd

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