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Kardinal vor La Rochelle

Kardinal vor La Rochelle

Titel: Kardinal vor La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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in sich, in seine Gedanken und Befürchtungen, fühlte er sich nun mehr verdammt,
     eine große Armee und widerspenstige Marschälle zu kommandieren, ohne daß der König ihm zur Seite stand.
    Wie ich schon sagte, war er gleichzeitig Ludwigs Magister und sein Untertan. Diese Definition wäre jedoch unvollständig, wenn
     ich nicht hinzufügte, daß er gewissermaßen auch sein Vater war, so offenbar war die Anhänglichkeit, mit welcher der Ältere
     den Jüngeren umgab und sich um seine Gesundheit sorgte. Edelmänner, die dem einen wie dem anderen nahestanden, sprachen von
     Freundschaft, aber für mein Gefühl war es mehr. Unverkennbar herrschte zwischen ihnen doch eine gewisse Zärtlichkeit, die
     nur nicht so zutage trat, wenn sie Aug in Auge miteinander sprachen, weil dann die königliche Majestät jede Gefühlsäußerung
     verbot, die indes offensichtlich wurde, sobald sie zu ihrem Leidwesen getrennt waren. Dann sprachen sie zueinander in Briefen,
     ohne daß der erdrückende Rangunterschied sie behinderte.
    Da der Kardinal die Augen geschlossen hielt, betrachteten Monsieur de Guron und ich sein müdes, eingefallenes Gesicht und
     tauschten besorgte Blicke, denn konnte der Kummer über diese Trennung, der sich seiner unerhörten, rastlosen Arbeit und dem
     widrigen Klima des Aunis nun hinzugesellte, nicht auch seiner Gesundheit Schaden tun?
    Als hätte Richelieu es gespürt, daß unsere Augen auf ihm ruhten, öffnete er plötzlich die seinen. Und weil es ihm schwerfallen
     mochte, die zehrenden Sorgen, die ihm künftig zusetzen würden, einen Moment abzuschütteln, hatte er wohl einige Mühe zu erkennen,
     daß er mit Guron und mir in seinem Wagen saß, während der König, sein Gebieter und Beschützer, sich mit jeder Räderdrehung
     der königlichen Karosse weiter von ihm entfernte.
    Daß sein Abschied vom König so karg ausgefallen war, weil Ludwig sich wegen seines Rückfalls ins Stottern so kurz gefaßt hatte,
     verstand Richelieu durchaus, ohne daß er sich aber darüber zu trösten vermochte, und als ihm plötzlich einfiel, daß er Ludwig,
     wieder beherrscht, in längerem Gespräch mit Monsieur de Guron gesehen hatte, erwachte seine Neugier.
    |193| »Monsieur de Guron«, sagte er, »Ihr seid der einzige, mit dem Seine Majestät noch kurz vor dem Aufbruch sprach. Würdet Ihr
     mir seine Worte wiederholen, wenigstens jene, die mich betrafen?«
    »Herr Kardinal«, sagte Guron, »um dies zu tun, habe ich nur abgewartet, bis Ihr Euch aus Euren Meditationen löstet. Und es
     ist mir eine große Freude, diese Worte, die in der Tat Euch betrafen, an Euch weiterzugeben, denn sie anzuhören wird Eure
     Eminenz sicherlich ebenso erfreuen wie mich, sie zu wiederholen.«
    Wie meine schöne Leserin unfehlbar erkennt, gebot Monsieur de Guron über mehr Zartsinn und sprachliche Eleganz, als es seine
     körperliche Hülle vermuten ließ. Außerdem hatte er ein sehr gutes Gedächtnis und konnte die Rede des Königs Wort für Wort
     wiedergeben, wie ich selbst sie vernommen hatte.
    Ich bezweifle nicht, daß diese Worte auf Richelieu wirkten, wie wenn frischer Tau eine fiebrige Stirn benetzt. Er ließ sie
     sich zweimal wiederholen, fragte Monsieur de Guron mehrmals, ob er auch nichts vergessen habe, ob er sich nicht täusche, ob
     dies wirklich die genauen Worte des Königs gewesen seien.
    Monsieur de Guron setzte zur Antwort an, da hielt unerwartet die Kutsche, kurz darauf klopfte der Postillon 1 , der soeben abgesessen war, an die Scheibe des Wagenschlags, und Monsieur de Guron öffnete ihm.
    »Mit Verlaub, Eure Eminenz«, sagte der Mann verlegen, »das rechte Vorderrad der Karosse macht so ungute Geräusche, daß der
     Kutscher fürchtet, es könnte brechen. Belieben Eure Eminenz zu gestatten, daß wir das Rad auswechseln?«
    »Wie lange dauert es?« fragte Richelieu.
    »Eine halbe Stunde, Eure Eminenz.«
    »Sollen wir aussteigen?«
    »Nein, Eure Eminenz. Unsere Bremsklötze halten felsenfest, und solange man in der Karosse keine Gigue tanzt, sind solche Umstände
     nicht nötig.«
    »Tut Euer Werk!« sagte Richelieu, der seine Leute weder |194| duzte noch triezte und nicht einmal bei der Vorstellung lächelte, er könnte in seiner Karosse eine Gigue tanzen.
    Sobald der Kutscher sich mit Hilfe des Postillons und des Lakaien ans Werk gemacht hatte, wandte sich Richelieu an Monsieur
     de Guron.
    »Hinter Euch, auf der Rücklehne Eurer Bank, findet Ihr Schreibzeug, Monsieur de Guron. Beliebt es mit Vorsicht zu ergreifen,
    

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