Kardinalspoker
dem, was ich
wissen müsste, um ihm effektiv helfen zu können?«
»Der ist grundsätzlich misstrauisch«,
antwortete Lipperich. »Er verrät nie mehr, als er verraten will. Das macht ihn auch
für seine Freunde oft undurchschaubar.« Er lächelte kurz. »Wahrscheinlich hat er
auch Ihnen nur Bruchstücke erzählt. Immer nur Häppchen, nie die ganze Geschichte.
So ist er halt.« Er löffelte seine Suppe. »Aber im Prinzip hat er immer nur seine
Familie im Blick gehabt.«
»Und hat erleben müssen, dass zwei
seiner Kinder sterben mussten«, unterbrach Böhnke.
Lipperich nickte. »Das hat er nie
verkraftet. Und dann habe ich auch noch den Scheiß gebaut.« Er lächelte verlegen.
»Das wissen Sie ja genauso gut wie ich. Ich habe dafür gebüßt.«
»Und jetzt sind Sie der Racheengel
Ihres Vaters?«
Kurz flackerte Zorn in Lipperichs
Augen auf. »Glauben Sie das etwa auch? Das stimmt nicht. Bestimmt bin ich froh,
dass dieser Scheißkerl Kardinal tot ist und auch die anderen beiden. Aber die gehen
nicht auf mein Konto. Das müssen Sie mir glauben.«
Böhnke blieb stumm.
»Mein Vater war und ist sehr verbittert«,
fuhr Lipperich fort, »und ich glaube, er hatte auch Angst, dass ich meine Brüder
rächen würde. Aber das ist nicht so. Ich bin doch nicht blöd.« Er fischte in der
Suppe nach den Grießklößchen. »Sie kennen die Geschichte meiner Brüder?«
»In groben Zügen«, bestätigte Böhnke.
Endlich und zu seinem Entsetzen fiel ihm wieder ein, was es damals auf sich hatte,
als er mit der Ermittlung gegen Lipperich beauftragt war. Jedoch würde er darüber
nicht mit ihm reden. Lipperich schien tatsächlich unschuldig, wenn er dessen Verhalten
im momentanen Gespräch zugrunde legte. Aber warum war er dann geflohen?
»Weil mir die Bullen, Verzeihung,
die Polizisten, nicht glauben würden. Oder meinen Sie etwa, die würden andere Spuren
verfolgen, wenn sie einen möglichen Täter in ihren Fängen haben? Nein.« Lipperich
schüttelte entschlossen den Kopf und schaute Böhnke ernst an. »Ich muss mit Ihrer
Hilfe meine Unschuld beweisen oder wenigstens Möglichkeiten aufzeigen, dass es einen
oder mehrere andere Täter geben kann. Mein Vater hat mir gesagt, dass Sie mir helfen
werden. Das tun Sie doch, oder?«
Böhnke schwieg weiter. Langsam füllte
er mit einem Schöpflöffel heiße Suppe in die Teller nach. Lipperich solle erzählen,
er würde zunächst zuhören. So wie damals, als er Lipperich nach dem vermeintlichen
Totschlag an dem Studenten verhört hatte. Auch damals hatte Lipperich erzählt, und
er als Kommissar hatte sich das Bild gemacht, das nach seiner Sicht der Dinge das
richtige gewesen war. Er erinnerte sich in einer Deutlichkeit, als sei das Geschehene
erst wenige Tage und nicht viele Jahr her. Für ihn hatte Lipperich eine Körperverletzung
mit Todesfolge begangen, weder einen Mord noch einen Totschlag. Staatsanwaltschaft
und Gericht hatten in ihrer übergeordneten Kompetenz die Tat anders gewertet, den
Totschlag gewollt; aus Gründen, die er erst viel zu spät durchschaute: Der bei der
Prügelei gestorbene Student stammte aus einer angesehenen Aachener Familie, Lipperich
war nur ein kleiner, unbedeutender Mensch.
Aber als er zu dieser Erkenntnis
kam, war der Prozess längst gelaufen und Lipperich saß ein.
Gewissermaßen hatte Josef Lipperich etwas gut bei ihm, er würde ihm
helfen, weil er ihm einfach helfen musste.
»Sie wissen, dass mein jüngerer
Bruder bei einem illegalen Autorennen von Köln nach Aachen und zurück am Europaplatz
von einem Auto überfahren wurde?«, fuhr Lipperich endlich fort. »Wenn ich dann sehe,
dass der durchgeknallte Fahrer wegen fahrlässiger Tötung nur eine Bewährungsstrafe
bekommt, überfallen mich Zweifel an der Gerechtigkeit, wenn ich meine eigene Bestrafung
sehe. Vollends habe ich den Glauben an die Gerechtigkeit dann verloren, als dieser
Kardinal ohne jegliche Strafe aus dieser kriminellen Angelegenheit herauskam. Der
hat das Rennen veranstaltet. Das weiß ich ganz genau, weil ein Kumpel aus Aachen
zu denen gehörte, die Wetten platziert haben. Aber er leugnete bei seiner Vernehmung,
der Wahrheitsgehalt meiner Aussage gegen Kardinal wurde bezweifelt, weil sie auf
Hörensagen beruhte. Da ist auch in meinem Vater ein Teil Lebensglück verloren gegangen.
Der Tod meines zweiten Bruders hat ihm dann noch mehr Lebenslust geraubt. Und auch
da hat Kardinal seine schmutzigen Finger im Spiel gehabt. Davon bin ich überzeugt.
Ich war zwar nicht bei der Schlägerei
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