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Karibik Träume... und zwei Leichen

Karibik Träume... und zwei Leichen

Titel: Karibik Träume... und zwei Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Terbrack
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am Bildschirm, zu welchem Band ich gehen musste. Ich trottete in die Richtung und ließ mich auf einer Bank nieder. Lange musste ich nicht mehr warten. Die Schiebetüren öffneten sich und Ali kam heraus. Ganz in schwarz. Ihr langer Mantel reichte fast bis auf den Boden. Das Gesicht rot, die Augen hinter einer dunklen Brille verborgen. Mit der einen Hand zog sie einen grauen Koffer auf Rollen hinter sich her, in der anderen hielt sie ein gebrauchtes Papiertaschentuch und eine langstielige Rose. Ich ging ihr entgegen. Sie sah mich erst, als ich direkt vor ihr stand. Ohne Vorwarnung warf sie sich in meine Arme und weinte hemmungslos. Ich hielt sie fest und tätschelte ihr unbeholfen auf dem Rücken herum. Nach ungefähr einer Stunde hin- und herwiegen löste sie sich, benutzte dezent ihr Taschentuch und lächelte mich schwach an. „Lass uns gehen, ok?“
      Ich nickte und nahm ihr den Koffer ab. Ich dirigierte sie zum Parkhaus, zahlte am Automaten die Gebühren und leitete sie weiter zu Fahrstuhl und meinem Wagen. Auf der Rückfahrt redeten wir nicht viel. Die meiste Zeit heulte sie. Ihre Trauer schien erst jetzt richtig heraus zu kommen. Im Flugzeug war noch alles weit weg. Sie betrat deutschen Boden und der der Grund ihres Hierseins wurde plötzlich real und greifbar. Ich wusste beim besten Willen nicht, was ich sagen sollte. So nah standen wir uns nicht und nach dem Wetter in Maracay zu fragen, wann sie das letzte Mal am Strand war, oder sonstiger Small-Talk, war ja wohl unpassend. Das konnten ja angenehme Tage werden! Vielleicht wartete ich besser, bis sie anfing zu reden. An der Abfahrt Duisburg-Wedau hörte das Schluchzen auf und als ich in ihre Richtung sah, sah ich, dass sie eingeschlafen war. Der Verkehr lief zügig und zwanzig Minuten später hielten wir vor meiner Haustür. Ich weckte sie vorsichtig. Ungläubig sah sie sich um und es dauerte einige Augenblicke, bis sie verstand, wo sie war. Wir gingen hoch. Ich setzte den Koffer ab, erklärte ihr mein Reich und fragte sie, ob sie duschen und sich ausruhen wolle. Sie verkrümelte sich in´s Badezimmer und ich machte ihr die Schlafcouch zurecht. Einige Zeit später kam sie heraus, die Haare feucht schimmernd. Als sie sie die Couch sah, die üblichen Sprüche, von wegen „keine Mühe machen“, „keine Last sein“, und so weiter. Ich beruhigte sie und sagte ihr, dass ich noch kurz einkaufen müsse. Sie solle inzwischen ein wenig schlafen. Sie müsste schließlich hundemüde sein. Würde ich verstehen. Ging mir auch immer so nach einem Interkontinentalflug. Sie fing an in ihrem Koffer nach einem Schlafanzug oder Nachthemd zu suchen und ich verabschiedete mich.
      Ich ließ mir Zeit. Kaufte Hühnchen Brust, Kochschinken, Käse und Wasser ohne Kohlensäure. Mit der Mischung kann man bei Venezolanern nicht viel falsch machen. Für heute Abend packte ich Spaghetti und Hackfleisch ein. Vorsichtshalber noch eine Flasche Rotwein. Falls sie etwas Alkoholisches bräuchte. Andererseits, ich war nicht scharf darauf eine besoffene Frau bei mir zu haben. Und schon gar nicht eine besoffene und trauernde. Also wieder weg mit der Flasche. Als ich wieder zurückkam, schlief sie noch. So leise wie möglich ging ich in die Küche, zog die Tür hinter mir zu und fing an zu kochen. Als ich damit fertig war, wusch ich, allen Lärm vermeidend, ab. Dann schlich ich in´s Wohnzimmer und holte mir ein Buch und verzog mich wieder in die Küche. Gegen sechs hörte ich, wie sie in´s Badezimmer ging. Kurz darauf kam sie, wieder komplett angezogen (inklusive Stiefel), in die Küche. Ob sie einen Jogginganzug haben wolle? Sie verneinte. Wär´ schon ok, so. Wir aßen. Sie erzählte ein bisschen, wie sich Venezuela verändert hatte, seit ich weg war. Natürlich kamen wir irgendwann auf Thorsten.
      „Er hat seine Frau nie geliebt“, behauptete sie, gedankenverloren in´s Leere starrend.
      „Wie kommst du darauf?“ fragte ich.
      „Er hat es mir gesagt.“ Sie stocherte mit der Gabel auf dem Teller herum.
      Klar doch, Mädel. Hat er erzählt, um dich `rumzukriegen. Oder bei der Stange zu halten. Träum´ weiter.
      Sie sprach weiter. „Er kam aus dem kommunistischen Deutschland. Wusstest du das?“ Ich nickte. „Als er in euren Teil kam, hatte er nichts. War arm.“
      „Hm, Hm.“
      Das Stochern hörte auf und sie sah mich an. „Wie ist sie? Ich habe nur ein-, zweimal mit ihr telefoniert. Ganz kurz. – Offiziell. Als Thorsten´s Sekretärin.“
      Ich nickte wieder.

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