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Karibik Träume... und zwei Leichen

Karibik Träume... und zwei Leichen

Titel: Karibik Träume... und zwei Leichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Terbrack
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jetzt niemand. Nach zweimaligem Scannen der Umgebung kletterte ich über den Zaun und zerriss mir dabei fast die Hose. Ich sah mich um. Niemand rief: „Hallo!“ oder „He, was machen sie denn da?“ Glück muss der Mensch haben. Wenigstens etwas. Ich ging wieder zum Hauptweg und bezog Lauerstellung. Für den Fall, dass jemand in meine Richtung sah, kniete ich an einem Grab mit besonders großem Grabstein, hinter dem ich in Deckung gehen konnte. Gleichzeitig beobachtend, zupfte ich Unkraut und hob welke Blätter auf. Die Zeit verstrich langsam. In Gruppen kamen Leute vorbei. Ich erkannte einzelne Gesichter. Endlich kam Carla. Im Bunde mit Peter. Wo war die Frau? Egal. Schon früher gefahren. Als engste Angehörige musste Carla die Letzte sein, die die Trauerfeier verließ. Wenn sie weg war, war die Luft rein. Ich gab ihnen noch fünf Minuten und stand auf. Meine Knie schmerzten. Ich sah auf das Grab vor mir. „Alfons Heller, 1912 - 1999“. Mit einer gewissen Verwunderung betrachtete ich die Arbeit, die ich in der letzten Stunde vollbracht hatte. Tip-top die Grabstätte. Tja, lieber Alfons. Da werden sich deine Angehörigen aber wundern, wie toll es bei dir aussieht. Die Heinzelmännchen waren da.
      Wer noch immer nicht da war, war Ali. Ich ging noch einmal zum Grab. Die Rose lag zerquetscht auf einem Haufen Laub, nicht weit weg. Ich sah sie schon von weitem. In einem Anflug von Sentimentalität nahm ich sie und versteckte sie unter den Kränzen, wo Carla sie nicht sehen würde. Noch einmal zog ich meine Kreise über den gesamten Friedhof. Nichts! Und jetzt? Bestimmt waren wir immer und immer wieder aneinander vorbeigelaufen auf diesem weitläufigen Gelände. Oder sie hatte sich hinter irgendwelchen Hecken versteckt. Und als dann mein Wagen weg war, hat sie ein Taxi genommen. Vielleicht auch schon vorher. Genau. So musste es gewesen sein. Meine Adresse hatte sie auf dem Umschlag der Todesanzeige gelesen. Ich beeilte mich zum Auto zu kommen. Mit etwas mehr als Schritttempo fuhr ich den Weg, den wir gekommen waren. Immer die Augen nach einer schwarzgekleideten, kleinen Fußgängerin offenhaltend. Als ich das Niederheinstadion passiert hatte, gab ich Gas und fuhr den kurzen Rest der Lindnerstraße in normalem Tempo. Von hier aus nahm ich die Autobahn. Das war schneller. Bottrop wieder ab. Über die Kanalbrücke, vorbei am Freibad Hesse und durch die Unterführung, hinter der früher die „Glück-Auf“-Bahnschranke war. Für alle Nicht-Ruhrgebietler: mit „Glück-Auf“ grüßten sich die Kumpel, bevor sie in den Pütt fuhren. Entstanden also in unserer Zeit der Kohle und Zechen. Papa Rau hat ihn auch oft benutzt. Sie erinnern sich? Hier wurde ein Wortspiel daraus, da man Glück hatte, wenn besagte Schranke „Auf“ war. Stand sie doch an einer der Hauptschlagadern des Reviers: der Strecke Köln-Minden. Als die Autos dann im Berufsverkehr fast regelmäßig von Dellwig bis Bottrop standen und die Dellwiger Straße in beiden Richtungen dicht war, entschlossen sich die Stadtväter zur Modernisierung. Das war Mitte der Achtziger.
      Noch eine Kreuzung und ich stand vor meiner Haustür. Hastig schloss ich den Wagen ab. Bestimmt war sie oben. Ein Nachbar hatte die Tür geöffnet, und sie saß nun auf den Treppenstufen vor meiner Wohnungstür und wartete. Ich eilte hoch. Niemand da. Vor meiner Schwelle nicht, und auch eine halbe Etage höher nicht. Ich ließ mich ein, weil ich pinkeln musste. Einen Happen essen wäre auch nicht schlecht. Ich riss die Krawatte vom Hals und zog mich um. Achtlos warf ich alles über eine Sessellehne. Gleichzeitig einen Toast mit Maggi kauend. In Jeansjacke und T-Shirt fühlte ich mich schon wohler. Das Einzige was mir einfiel war, wieder zurück zu fahren. Mann, ich sollte von der Dame Kilometergeld verlangen, wenn ich sie aufgabelte. Ich packte meine Papiere, Telefon, Zigaretten und Feuerzeug, griff die Schlüssel und begab mich wieder zum Wagen. Diesmal fuhr ich die gesamte Strecke in Schleichfahrt. Sehr zum Unmut der anderen Verkehrsteilnehmer. Sie überholten hupend und zeigten mir den Autofahrergruß. Unwahrscheinlich, dass sie den ganzen Weg laufen würde. Wenn sie sich ihn überhaupt gemerkt hatte. Ich klammerte mich schon an Strohhalme. Ich fuhr die Zufahrt zum Friedhof herunter und wollte gerade zum Parkplatz einbiegen, als ich dort einen dunkelblauen TT sah. Carla! Sie war noch einmal zurückgekommen. Ich riss das Steuer herum und gab Gas. Nach ein paar hundert Metern wendete

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