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Karibische Affaire

Karibische Affaire

Titel: Karibische Affaire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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aufgesucht. Evelyn wollte noch an ihrem Tisch nachsehen, ob sie nichts vergessen hätte, als sie Tim aufschreien hörte. Rasch blickte sie auf und sah ihn, wie er nach den Stufen am Terrassenende starrte. Sie folgte seinem Blick, und auch ihr stockte der Atem.
    Jemand stieg die Stufen vom Strand herauf. Es war Molly. Sie atmete in tiefen schluchzenden Zügen und taumelte merkwürdig richtungslos dahin. Tim schrie: » Molly! Was ist mit dir?«
    Gefolgt von Evelyn rannte er ihr entgegen. Molly hatte jetzt die oberste Stufe erreicht und stand da, die Hände auf dem Rücken. Unter fortwährendem Schluchzen brachte sie hervor:
    »Ich hab’ sie gefunden… Sie liegt dort im Gebüsch… Dort im Gebüsch… Und schau meine Hände an – schau meine Hände an!« Sie streckte sie vor, und Evelyn verschlug es den Atem, als sie die dunklen Flecken sah.
    »Was ist passiert, Molly?«, rief Tim.
    »Da unten«, sagte Molly. Sie schwankte. »Im Gebüsch…«
    Tim zögerte, blickte Evelyn an, schob Molly zu ihr hin und rannte die Stufen hinunter. Evelyn legte den Arm um die junge Frau.
    »Kommen Sie, setzen Sie sich, Molly. Hierher. Und trinken Sie etwas.«
    Molly sank auf dem Stuhl zusammen und lehnte sich auf die Tischplatte, die Stirn auf den gekreuzten Armen. Evelyn stellte keine Fragen. Erst sollte Molly sich beruhigen. »Es wird schon alles gut, glauben Sie mir«, sagte Evelyn ruhig. »Es wird alles wieder gut.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Molly. »Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich weiß nichts. Ich kann mich an nichts erinnern. Ich – « sie hob plötzlich den Kopf. »Was ist mit mir los? Was ist denn mit mir los?«
    »Schon gut, mein Kind, schon gut. Es ist alles in Ordnung.«
    Jetzt kam Tim langsam die Treppe herauf, mit kreidebleichem Gesicht. Evelyn sah ihm mit fragender Miene entgegen.
    »Es ist eines von unseren Mädchen«, sagte er. »Wie heißt sie nur – Victoria. Jemand hat sie erstochen.«

14
     
    M olly lag auf ihrem Bett. An seiner einen Seite standen Dr. Graham und der Polizeiarzt Dr. Robertson, an seiner anderen stand Tim. Robertson fühlte Molly den Puls. Er nickte dem Mann am Fußende des Bettes zu, einem schlanken farbigen Polizisten, Inspektor Weston von der St.-Honoré-Polizei.
    »Nur eine einfache Aussage – nicht mehr!«
    Der Inspektor nickte.
    »Nun, Mrs Kendal, sagen Sie uns nur, wie Sie das Mädchen gefunden haben.«
    Zunächst schien es, als habe die auf das Bett hingestreckte Gestalt nichts gehört. Dann aber sprach sie mit schwacher abwesender Stimme:
    »Im Gebüsch – weiß…«
    »Sie haben also etwas Weißes erblickt – und dann nachgesehen, was es war. Ist es so gewesen?«
    »Ja – etwas Weißes – ich wollte – wollte es aufheben – Sie – es – Blut! Die Hände voll Blut!« Sie zitterte.
    Dr. Graham schüttelte den Kopf. Dr. Robertson murmelte: »Sie müssen sehr behutsam mit ihr sein!«
    »Was haben Sie auf dem Strandweg gemacht, Mrs Kendal?«
    »Warm – schön – das Meer – «
    »Haben Sie das Mädchen erkannt?«
    »Victoria – nettes Mädchen – immer gelacht – und jetzt wird sie nicht – sie wird nie wieder lachen. Ich werde das nie vergessen – ich werd’ es nie vergessen.« Die Stimme wurde hysterisch.
    »Molly – nicht!« Es war Tim.
    »Ruhig – nur die Ruhe!« Dr. Robertson sprach mit ruhiger Autorität. »Entspannen Sie sich – ganz locker – so, und jetzt noch ein ganz kleiner Stich – « Er zog die Injektionsnadel zurück.
    »Für mindestens vierundzwanzig Stunden nicht vernehmungsfähig«, sagte er. »Ich gebe Ihnen Bescheid, sobald sie soweit ist.«
     
    Der große, gut aussehende Schwarze blickte die beiden am Tisch sitzenden Männer abwechselnd an.
    »Ich schwöre bei Gott«, sagte er, »mehr weiß ich nicht. Ich hab’ Ihnen alles gesagt.«
    Seine Stirn war schweißnass. Daventry seufzte. Der vernehmungsführende Inspektor Weston vom C.I.D. in St. Honoré machte eine entlassende Geste. Big Jim Ellis schlurfte aus dem Zimmer.
    »Natürlich weiß er mehr«, sagte Weston. »Aber das werden wir nicht aus ihm herauskriegen.«
    »Sie halten ihn für unverdächtig?«, fragte Daventry.
    »Jawohl. Die beiden haben gut miteinander gelebt.«
    »Waren aber nicht verheiratet?«
    Inspektor Weston lächelte flüchtig. »Nein«, sagte er, »verheiratet waren sie nicht. Bei uns hier wird selten geheiratet. Aber es wird getauft. Er hat zwei Kinder mit Victoria.«
    »Glauben Sie, dass er die Hand im Spiel hatte – was immer es war?«
    »Kaum. Dazu ist er nicht

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