Karibische Affaire
vergiftet wurde – «
»Aber die Geschichte, die er Ihnen erzählt hat – «
Miss Marple schnitt ihm das Wort ab, was Mr Rafiel nicht oft passierte. Sie sprach jetzt ernster und zusammenhängender als gewöhnlich. »Sehen Sie denn nicht, wie schwer es ist, sicher zu sein! Und das liegt nur daran, dass man oft nicht richtig zuhört. Fragen Sie Mrs Walters, die hat das gleiche gesagt: Anfangs hört man zu, dann wird man unaufmerksam, denkt an etwas anderes – und plötzlich merkt man, dass man gar nicht mehr zuhört. Möglicherweise hat er zwischen der Geschichte etwas gesagt, das mir entgangen ist, sodass das Foto gar nicht zu dieser Geschichte gehört hat.«
»Aber Sie haben geglaubt, es sei das Foto des Mannes, von dem er gesprochen hatte?«
»Ja. Es ist mir nie in den Sinn gekommen, dass es auch anders sein könnte. Aber jetzt – bin ich unsicher geworden.«
Nachdenklich sah Mr Rafiel sie an.
»Ihr Fehler ist diese Gewissenhaftigkeit«, sagte er. »Die führt zu nichts. Entscheiden Sie sich und zögern Sie nicht zu lange, das haben Sie vorher doch auch nicht getan! Meiner Meinung nach hat nur das Gequatsche mit der Schwester des Pastors und den anderen Weibern Sie unsicher gemacht.«
»Vielleicht haben Sie Recht.«
»Also, dann lassen wir das alles und bleiben wir bei Ihrer ersten Vermutung. Denn neun- von zehnmal ist der erste Eindruck der richtige. Das hab’ ich immer wieder erlebt. Wir haben drei Verdächtige. Nehmen wir uns einen nach dem anderen vor! Mit welchem wollen Sie beginnen?«
»Das ist wirklich egal«, sagte Miss Marple. »Es kommt jeder von ihnen gleich wenig in Betracht.«
»Fangen wir mit Greg an«, sagte Rafiel. »Den kann ich nicht ausstehn – aber deshalb muss er noch kein Mörder sein. Zwar, es gibt da ein oder zwei Punkte gegen ihn. Die Blutdruckpillen haben ihm gehört, und sie waren so nett und einfach zu verwenden.«
»Das wäre doch allzu auffällig, nicht?«, entgegnete Miss Marple.
»Das möchte ich nicht einmal sagen«, meinte Mr Rafiel. »Schließlich kam es vor allem auf rasches Handeln an, und die Pillen waren zur Hand. Er hatte nicht die Zeit, erst lange bei anderen nach Tabletten herumzusuchen. Nehmen wir also an, es war Greg. Sagen wir, er wollte seine liebe Lucky aus dem Weg räumen – welches gute Werk übrigens meine ganze Sympathie hätte! Aber ich sehe kein Motiv dafür. Soviel man hört, ist er reich, seine erste Frau soll das Geld ja haufenweise gehabt haben. Damals wäre er als Gattenmörder infrage gekommen. Aber das ist längst vorbei, und er ist ungestraft durchgerutscht. Lucky aber hat kein Geld. Will er sie aus dem Weg räumen, so muss eine andere Frau dahinterstecken. Haben Sie in dieser Hinsicht was läuten hören?«
Miss Marple schüttelte den Kopf.
»Nein, gar nichts. Er ist zu allen Damen – nun – sehr galant.«
»Sie sagen das auf eine nette altmodische Art«, meinte Mr Rafiel. »Na schön, er ist also ein Schürzenjäger und versucht’s bei jeder. Das allein genügt aber nicht. Nehmen wir gleich als nächsten diesen Edward Hillingdon unter die Lupe! Also, der ist ja ein unbeschriebenes Blatt, wenn es so was überhaupt gibt.«
»Ich glaube, er fühlt sich nicht sehr wohl in seiner Haut«, sagte Miss Marple, um einen Anfang zu machen.
Mr Rafiel sah sie nachdenklich an.
»Glauben Sie, dass ein Mörder sich wohlfühlen muss?«
Miss Marple hüstelte. »Nun, nach meiner Erfahrung tun sie das gewöhnlich.«
»Ich glaube nicht, dass Sie da besonders erfahren sind«, sagte Mr Rafiel.
Hier hätte Miss Marple ihn widerlegen können, aber sie unterließ es lieber. Herren lieben es nicht, in ihren Behauptungen widerlegt zu werden.
»Ich selbst würde eher auf Hillingdon tippen«, sagte Mr Rafiel. »Zwischen ihm und seiner Frau stimmt etwas nicht, haben Sie das noch nicht bemerkt?«
»O gewiss«, sagte Miss Marple, »gewiss hab’ ich es bemerkt. Ihr Benehmen in der Öffentlichkeit ist natürlich einwandfrei, wie das ja nicht anders zu erwarten ist.«
»Sie wissen da wahrscheinlich mehr als ich«, sagte Mr Rafiel. »Also gut, alles scheint völlig in Ordnung, aber es wäre doch möglich, dass Edward Hillingdon in vornehmer Weise daran denkt, sich seiner Frau zu entledigen. Meinen Sie nicht auch?«
»Wenn das der Fall ist«, sagte Miss Marple, »dann muss es eine zweite Frau geben.«
»Aber welche?«
Miss Marple schüttelte unbehaglich den Kopf.
»Ich kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass das alles nicht so einfach ist.«
»Nun
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