Karibische Affaire
wenig attraktiv für Männer.‹ ›Kein Sexappeal.‹ ›Kein Schlafzimmerblick.‹ Ja, Esther hatte blondes Haar, einen schönen Teint, braune Augen, eine gute Figur und ein freundliches Lächeln, aber das gewisse Etwas, das einen veranlasst, auf der Straße den Kopf herumzudrehen, hatte sie nicht.
»Sie sollte wieder heiraten«, meinte Miss Marple mit gesenkter Stimme.
»Natürlich sollte sie. Sie würde eine gute Frau abgeben.«
Nachdem Esther Walters bei ihnen angelangt war, sagte Mr Rafiel mit polternder Stimme: »Na, dass Sie nur da sind! Was hat Sie aufgehalten?«
»Ach, anscheinend müssen heute alle Leute telegrafieren«, sagte Esther. »Das, und die Leute, die abreisen wollen.«
»So, abreisen wollen die Leute? Wegen dieser Mordgeschichte?«
»Ich nehme es an. Der arme Tim Kendal ist ganz aus dem Häuschen.«
»Na, ich wäre es auch an seiner Stelle. Ich muss schon sagen, das ist Pech für das junge Paar!«
»Ich weiß. Diese Hotelübernahme war für die beiden ein großes Risiko. Sie waren so bemüht, dass es ein Erfolg werde. Und es ist ja auch sehr gut gegangen.«
»Ja, sie haben sich viel Mühe gegeben«, stimmte Mr Rafiel zu. »Er ist sehr tüchtig, und ein Arbeitstier dazu! Und sie ist eine nette junge, sehr attraktive Frau. Beide haben sie wie die Neger geschuftet, obwohl dieser Vergleich hinkt, denn wie ich hier sehe, arbeiten sich die Neger keineswegs zu Tode. Ich hab’ da neulich einem Burschen zugesehen, wie er um sein Frühstück eine Kokospalme hinaufgeklettert ist. Für den Rest des Tages hat er sich dann aufs Ohr gelegt. Hübsches Leben!« Er fügte hinzu: »Wir reden gerade über den Mord hier.«
Erschrocken wandte Esther den Kopf Miss Marple zu.
»Ja, die habe ich falsch eingeschätzt«, gestand Mr Rafiel mit der ihm eigenen Offenheit. »Habe nie sehr viel für alte Weiber übrig gehabt, die nichts können als stricken und tratschen. Aber die da hat was weg! Hat Augen und Ohren, und macht auch Gebrauch davon!«
Esther Walters sah Miss Marple betreten an, aber die schien gar nicht beleidigt zu sein.
»Das ist wirklich als Kompliment gedacht, wissen Sie«, erklärte Esther.
»Das ist mir so klar«, sagte Miss Marple, »wie die Tatsache, dass Mr Rafiel eine Vorzugsstellung genießt, oder sie zu genießen glaubt.«
»Was heißt ›Vorzugsstellung‹?«, fragte Mr Rafiel.
»Grob zu sein, wann immer Sie wollen«, sagte Miss Marple.
»War ich grob?«, fragte Mr Rafiel erstaunt. »Das tut mir leid, ich wollte Sie nicht beleidigen!«
»Sie haben mich nicht beleidigt«, sagte Miss Marple. »Außerdem sehe ich Ihnen manches nach.«
»Werden Sie jetzt nur nicht sauer. Esther, holen Sie sich einen Stuhl, vielleicht können Sie uns helfen!«
Esther ging die paar Schritte auf den Balkon hinaus und kam mit einem leichten Rohrstuhl zurück. »Also, setzen wir unsere Beratung fort«, sagte Mr Rafiel. »Begonnen haben wir mit dem verewigten Palgrave und seinen ewigen Geschichten.«
»O weh«, seufzte Esther, »ich fürchte, vor denen bin ich ausgerissen, wann immer ich konnte!«
»Miss Marple war da standhafter«, sagte Mr Rafiel. »Aber sagen Sie, Esther, hat er Ihnen jemals eine Geschichte von einem Mörder erzählt?«
»O ja«, sagte Esther. »Mehr als einmal!«
»Wie war das genau? Erzählen Sie uns Ihre Version!«
»Nun – « Esther dachte nach. »Es ist nur«, entschuldigte sie sich dann, »dass ich nie so recht zugehört habe. Sehen Sie, es war wie mit dieser schrecklichen Geschichte von dem Löwen in Rhodesien, die nie aufhören wollte. Es war wirklich eine Geschichte, um sich das Zuhören abzugewöhnen!«
»Also dann sagen Sie einfach, woran Sie sich erinnern.«
»Ich glaube, es begann mit einem Mordfall aus der Zeitung. Und dann sagte Major Palgrave, er habe ein ungewöhnliches Erlebnis gehabt – er sei nämlich einmal einem Mörder Auge in Auge gegenübergestanden.«
»Auge in Auge?« rief Mr Rafiel aus. »Hat er das wörtlich gesagt?«
Esther sah verwirrt aus.
»Ich denke schon«, sagte sie unsicher. »Es kann aber auch sein, dass er gesagt hat: ›Ich werde Ihnen einen Mörder zeigen.‹«
»Also, was hat er jetzt gesagt! Das ist doch nicht dasselbe!«
»Ich bin wirklich nicht sicher… Ich glaube, er sagte, er werde mir das Bild von jemandem zeigen.«
»Schon besser!«
»Und dann hat er eine Menge über Lucrezia Borgia geredet.«
»Die lassen Sie sein, die kennen wir!«
»Er sprach über Giftmischer und dass Lucrezia sehr schön war und rotes Haar hatte.
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