Karl der Dicke beißt sich durch
Roggenfeldern auf einem sanften Hügel erhob.
„Da in dem Wald ist so ‘ne Art Mausoleum“, sagte er, „ein Erbbegräbnis oder so was. Da kann man durch ein Loch in der Wand gucken und die Särge stehen sehen. Als mein Vater noch lebte, war er mal mit mir da. Ganz schön schaurig die Sache, kann ich nur sagen. Woll’n wir nicht mal eben rüberfahren und mit den Geistern der Verstorbenen ein paar Worte wechseln?“
„Keine schlechte Idee!“ rief Karl. „Für Übersinnliches und Gruseliges habe ich stets ein offenes Herz.“
„Und eine wasserdichte Hose“, ergänzte Egon, „in die ‘ne Menge reinpaßt, wenn die Angst dich überkommt.“
„Das mußt du auch gerade sagen!“ rief Karl. „Ich erinnere mich noch genau an dein Zähneklappern auf Opa Hamelns Dachboden voriges Jahr, als wir die Matratzen herunterholen wollten und den Lichtschalter nicht finden konnten!“
Sie verließen die Straße und fuhren einen Feldweg entlang, der genau auf den kleinen Buchenwald zuführte.
„Die Schlaglöcher hier sind wohl zum Genickbrechen gedacht, was?“ fragte Egon und rieb sich den Hintern. „Ein Mann meines schlanken Körperbaus zertrümmert sich hier ja alle Gesäßknochen!“
„Ich hör’ immer Gesäßknochen!“ rief Karl von hinten. „Solltest du tatsächlich so mißgestaltet sein und Knochen am Gesäß haben? Derlei gibt es an meiner Sitzfläche nicht, da ist alles weich und rundlich.“
„Natürlich“, sagte Egon, „du gehörst ja auch zu der Gruppe knochenloser Weichtiere!“
Guddel erreichte den aus roten Klinkern errichteten Bau zuerst. Er stellte sein Fahrrad ab und ging um das etwa vier Meter hohe Gebäude herum.
„Das darf doch wohl nicht wahr sein!“ rief er mit einemmal. „Die kleinen Fenster sind alle zugemauert! Jetzt können wir gar nicht reingucken!“
„Doch!“ rief Karl, der von der anderen Seite um das Erbbegräbnis herumgegangen war. „Hier ist ein Loch in der Mauer, da paßt mein ganzer Kopf durch.“ Und nach einer Weile: „Mensch, da sind ja mindestens sechs Särge drin! Ich hab mich ganz schön verjagt, ehrlich! Komm, Egon, steck deinen schmalen Schädel auch mal durch die Öffnung, damit du das Gruseln lernst.“
„Haha!“ machte Egon, erschrak aber doch beim Anblick der verstaubten Särge, die da kaum zwei Meter von ihm entfernt auf dem Boden der Gruft standen. Guddel schaute als letzter durch den Mauerspalt.
„Es ist ja so schon ganz schön unheimlich“, sagte er, „aber wenn man sich dazu noch die Gerippe vorstellt, die da in den Särgen liegen, dann braucht man schon wasserdichte Hosen.“
„Ob da wirklich noch Leichen drin sind?“ fragte Egon. „Das sieht ja alles so verkommen aus.“
„Keine Ahnung“, antwortete Guddel, „aber ich denke, schon.“
Nachdem sie noch die Inschrift auf der Giebelseite des Mausoleums gelesen hatten, fuhren sie weiter.
Sie hatten keine Mühe, das Landhaus der Familie Gregant zu finden. Schon der erste Bauer, den sie fragten, wies ihnen den richtigen Weg.
„Wenn ihr die Steigung genommen habt“, erklärte er, „biegt ihr rechts ab, dann kommt ihr direkt daran vorbei. Es liegt weit zurück und hat einen großen Vorgarten.“
„Donnerwetter!“ rief Karl zehn Minuten später. „Das ist ja ‘ne tolle Prachtbude! Und darin sollen wir nächtigen? Da fühle ich mich ja wie Graf Schnitzelblitz persönlich. Aber sagt mal, wo sind denn die reizenden Kinderchen, die wir hüten sollen? Von dem angekündigten Lärm keine Spur! Oder hört ihr irgendwelche Geräusche, die euer empfindliches Ohr beleidigen?“
„Vielleicht essen sie gerade Abendbrot“, sagte Guddel, „mit dem Opa zusammen. Kommt, wir klingeln erst mal und geben unsere Visitenkarten ab.“
Sie schoben ihre Räder durch den Vorgarten und stellten sie seitlich vom Haus auf den freien Platz vor der Garage. Dann drückte Karl auf den Klingelknopf.
Aber niemand kam, um die Tür zu öffnen. Stattdessen tönte eine plärrende Stimme aus dem kleinen Lautsprecher über der Klingel.
„Betteln und Hausieren verboten! Wir geben nichts, wir sind geizig! Verschwindet sofort, sonst schießen wir aus dem Dachfenster!“
Egon feixte Guddel an.
„Die süßen Kleinen leben“, flüsterte er, „der Spaß beginnt.“
Es kratzte und brummte im Lautsprecher, und dann hörten sie eine andere Stimme.
„Ja, bitte, wer ist da?“
„Die drei jungen Freunde“, rief Karl, „die hier Babysitter spielen sollen!“
Einige Sekunden später schnarrte der Türöffner, und
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