Karl der Dicke beißt sich durch
der Mann eine Flöte aus der Tasche und blies kräftig hinein. Sofort machte der Schäferhund eine Kehrtwendung und preschte zurück, ohne jedoch den kleinen Verfolger abschütteln zu können. Wieder auf dem Radweg angekommen, blieb er stehen, klemmte den Schwanz zwischen die Beine und schielte zu seinem Herrn hin. Den übermütigen Terrier, der ihn in Schwanz und Ohren zwickte und gegen ihn ansprang, beachtete er nicht mehr. Er benahm sich wie ein ertappter Dieb, der schuldbewußt und durch seine unterwürfige Haltung um Vergebung flehend zu dem zurückkehrte, der ihm das Stehlen verboten hatte. Der Mann nahm die Leine auf, die hinter dem Tier herschleifte, und schlug ihm damit mehrmals heftig auf die Nase. Der Hund jaulte leise, kniff die Augen zu und duckte sich, lief aber nicht weg. Er schien an harte Prügel gewöhnt zu sein. Caesar allerdings nicht, denn als er, versehentlich oder absichtlich, auch einen Schlag mit der Lederschnur erhielt, verteidigte er sich sofort und sprang den Mann an.
„Willst du wohl deinen Hund zurückhalten!“ schrie der erschrocken und bemühte sich, Caesar von seiner Hose abzuschütteln.
„Hören Sie endlich auf mit der Prügelei!“ rief Karl. „Dann beißt er Sie auch nicht mehr.“
Schließlich gelang es ihm mit Egons Hilfe, Caesar am Halsband zu packen und von dem Mann wegzuziehen. Aber der rauflustige Hund bellte immer noch böse.
Alle waren erleichtert, als er endlich wieder bei Egon im Korb saß und sie ihre Fahrt fortsetzen konnten.
„Dein Hund scheint sehr gesellig zu sein“, sagte Karl. „Kaum sieht er ein anderes Vieh, will er schon mit ihm anbandeln. Ich glaube, das solltest du ihm abgewöhnen, sonst könnte er leicht mal an den Falschen kommen.“
In den nächsten Tagen waren sie dauernd mit dem Hund unterwegs und vergaßen darüber beinah, daß sie Geld verdienen mußten, um den Feuerwehreinsatz bezahlen zu können.
Caesar erwies sich in der Tat als sehr intelligent, allerdings auch als ebenso eigenwillig. Das, was er tun sollte, tat er nie oder immer erst dann, wenn er Karl, Egon und Guddel durch seine Widerborstigkeit fast zur Verzweiflung gebracht hatte und sie gar nicht mehr damit rechneten, daß er es ausführen würde. Im Verfolgen von Katzen, anderen Hunden und besonders von Hühnern brachte er es durch fortwährendes Training zu Meisterehren. In der gesamten Nachbarschaft bekamen die Hühner Schreikrämpfe, sobald er um die Ecke fegte, und drei von ihnen hauchten unter seinem Biß ihr Leben aus, bevor sie ihr letztes Ei hatten legen können. Herr Feldmann, der den Besitzern den Verlust ersetzen mußte, war darüber sehr böse und drohte, den Hund zurückzugeben, wenn es Egon nicht gelänge, ihn an der Leine zu halten oder ihm die Hühnertreibjagden abzugewöhnen. „Ich nehme ihn mit nach Meyenburg“, beruhigte Egon seinen Vater. „Da hat er mal richtig Auslauf und kann sich müde toben.“
„Wenn die drei Knaben von dem Dr. Gregant wirklich so unausstehlich sind, wie ihr Vater andeutete, kann uns Caesar beim Babysitten gute Dienste leisten“, sagte Karl, als sie, mit Zahnbürste und Schlafanzug im Rucksack, am Nachmittag des fünfzehnten August nach Meyenburg aufbrechen wollten, um ihren Job anzutreten. „Kleine Kinder haben meistens Angst vor Hunden, das kann uns die Aufgabe sehr erleichtern. Wenn sie nicht parieren wollen, drohen wir ihnen nur ein bißchen mit Caesar, dann werden sie bestimmt ein engelhaftes Verhalten an den Tag legen.“
Aber da kam Egons Bruder mit dem Hund auf dem Arm aus dem Haus, wischte sich die letzten Tränen ab und sagte: „Caesar bleibt hier! Papa hat es erlaubt! Er hat gesagt, wenn Egon sich in Meyenburg ein paar schöne Tage macht, soll ich auch meinen Spaß haben.“
„Caesar ist mein Hund“, rief Egon, „und wenn ich ihn mitnehmen will, dann nehme ich ihn auch mit, daran kann mich niemand hindern!“
„Wetten, doch?“ rief Peter. „Ich zum Beispiel! Ich laß Caesar einfach laufen, dann kannste ja hinterherjagen und ihn einfangen!“
Da mischte sich Guddel ein.
„Laß ihn hier“, sagte er, „vielleicht kriegen wir in Meyenburg nur Ärger mit ihm. Was sind schon drei Tage! Wenn wir zurückkommen, wird er sich bestimmt freuen, dich wiederzusehen.“
Also radelten sie ohne Caesar los.
Als sie Schwanewede durchfahren und den am Ortsausgang liegenden Judenfriedhof passiert hatten, wies Guddel mit der Hand auf das kleine Buchenwäldchen, das sich inmitten von Kartoffel-, Rüben- und
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