Karl der Dicke beißt sich durch
Weg auf den Spuren des Springenden Panthers, und vertreibe alle Fremden aus den Jagdgebieten der Comanchen! Hugh, ich habe gesprochen!“
„Hugh!“ antwortete die Ätzende Zunge und wollte schon zurücktreten, aber da erhob der Reißende Bär noch einmal seine Stimme und rief dumpf und drohend: „Warte, Ätzende Zunge! Ich spüre Bleichgesichter in deiner Nähe, die deinen Tritt beschleichen und ihr feiges Herz mit Feuerwaffen schützen. Binde sie an den Marterpfahl und skalpiere sie, damit die Sonne Manitus ihre Schädel rösten und ihr Blut vertrocknen lassen kann! Hugh!“
Nach diesen Worten schlug er wieder mit dem Knüppel an die Tür. Es dröhnte so dumpf, als klopfe jemand von innen gegen einen der Särge. Da war es um die Standfestigkeit der Kleinen geschehen.
„Ich will hier weg!“ flüsterte Volker schaudernd. „Ich hab’ Angst! Wenn die da rauskommen, nehmen sie uns mit! Das sind gar keine Indianer, das sind richtige Tote, die lassen sich das nicht gefallen! Ich will nach Hause!“
Auch die beiden Größeren hielten das Spiel nicht länger durch. Das unheimliche Gebäude unter den hohen Buchen, die Nachtstille rings und der bleiche Mond, der gerade jetzt wieder mit silbrigem Geisterfinger durch die Baumkronen tastete, machten den Ort so gruselig, daß sie es nicht länger ertragen konnten. Guddel begriff das und war bereit, den Spuk abzubrechen, aber Karl der Dicke hatte noch nicht sein ganzes Programm durch.
Und so hörten sie wenig später aus den Büschen am Waldrand plötzlich ein lautes Geschrei und erkannten den, der da so entsetzte Laute von sich gab, genau. Es war Karl. Ohne seine Stimme zu verstellen, brüllte er aus Leibeskräften und
schlug dabei wie irrsinnig um sich, daß es im Unterholz knisterte und krachte, als kämpften Elefanten miteinander. „Guddel und Egon, kommt doch her!“ schrie und keuchte er. „Ich bin überfallen worden! Helft mir!“
Dann hatte er keinen Atem mehr für viele Worte, sondern mußte seine ganzen Kräfte für den mörderischen Kampf aufsparen, den er auszufechten hatte.
Es polterte, Äste splitterten, Laub raschelte, und plötzlich gellte ein so schriller Schrei durch den Wald, daß alle, die ihn hörten, wußten, es war ein Todesschrei!
„Karl!“ rief Guddel, „halte aus, ich komme schon!“ Und hastig zu den Kleinen: „Bleibt um Gottes willen hier, und rührt euch nicht vom Fleck!“ Damit lief er los.
Auch Egon kündigte mit einem lauten Ruf seine Hilfe an und rannte von der andern Seite her auf die Stelle zu, wo Karl mit einem Riesen kämpfte. Gekämpft hatte! Nun war er nämlich still. Die Hilfe seiner Freunde kam zu spät! Ängstlich drückten sich die Kleinen aneinander und warteten. Was war geschehen? Hatte man Karl getötet? Lag er dort in seinem Blute?
Es dauerte Ewigkeiten, bis sie wieder etwas hörten. Ein leises Rascheln erst, dann Schritte und Stimmen. Gestalten tauchten aus dem Buschwerk, kamen stolpernd näher, ihre Umrisse wurden deutlicher. Drei waren es, die nebeneinander auf die angstschlotternden Kinder zuhumpelten.
Karl lebte also! Aber er konnte kaum gehen. Seine Freunde schleppten ihn zwischen sich. Als sie bei den Kleinen ankamen, knipste Egon die Taschenlampe an und leuchtete ihm kurz ins Gesicht. Es war blutverschmiert.
„Man hat ihn überfallen und zusammengeschlagen“, sagte Guddel dumpf.
„Es war ein Mann. Karl hat sich mit einem dicken Knüppel verteidigt. Vielleicht hat er zu heftig zugeschlagen, der
Mann liegt da hinten und rührt sich nicht mehr. Wir müssen gleich bei der Polizei anrufen. Wirst du radfahren können, Karl?“
„Ich muß es versuchen“, antwortet der gequält. „Kommt, mir ist, als ob ich Fieber hätte!“
Ganz eng nebeneinander, Hand in Hand die Kleinen, so verließen sie die Stätte des Grauens.
Auf dem Heimweg wurde kein Wort gesprochen. Und als sie das Haus erreichten, liefen Axel, Sven und Volker sofort in ihr Zimmer und legten sich zitternd ins Bett, während Karl im Badezimmer bemüht war, sich die angetrocknete Marmelade aus dem Gesicht zu waschen.
Am andern Morgen wunderte sich Herr Gregant darüber, daß seine drei Enkel gar nicht wie üblich in sein Zimmer stürzten und ihn aus dem Schlaf rissen. Er konnte in aller Ruhe aufstehen und sich anziehen. Als er auch noch das Rasieren ohne Störungen hinter sich gebracht hatte, beschlich ihn die Sorge, ob den Jungen vielleicht etwas zugestoßen sei im Kampf mit ihren Aufpassern. Leise ging er zu ihrem Zimmer hinüber und
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