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Karl der Dicke & Genossen

Karl der Dicke & Genossen

Titel: Karl der Dicke & Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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zugewandt: „Haben Sie etwas zu mir gesagt?“
    Egon war überrascht. Er zog die Stirn in Falten und stieß, nicht mehr ganz so freundlich, hervor: „Ich denke doch! Ich habe Sie gebeten, mir ein paar Fragen zu beantworten.“
    Der Herr hatte sich wieder abgewandt und lächelte still vor sich hin.
    „Was sagt man dazu!“ murmelte Egon fassungslos. „Das ist aber eine ausgefallene Methode, sich vor den Antworten zu drücken.“
    „Mensch, der Alte ist schwerhörig!“ rief Karl. „Das mußt du doch allmählich kapiert haben. Wenn du dich mit dem unterhalten willst, muß du deinen Tonregler schon ein bißchen weiter aufdrehen. Also das Ganze noch mal von vorne, aber diesmal durchs Megaphon.“
    Er tippte dem Herrn auf die Schulter und schrie ihm ins Ohr: „Wir möchten Ihnen eine Handvoll Fragen stellen, wenn Sie erlauben.“
    Der Herr nickte und sagte: „O ja, wunderschön, aber es ist schon wieder ein Gewitter gemeldet.“
    Karl grinste, und Guddel hielt sich schnell die Hand vor den Mund.
    „Wenn das noch zu leise war“, knurrte Egon verärgert, „werde ich jetzt mal einen Kanonenschlag abfeuern.“ Er holte tief Luft und brüllte, als müßte er sich mit einem Taucher in hundert Meter Wassertiefe verständigen:
    „Was haben Sie für eine Krankheit?“
    Das schien der liebenswürdige Kurgast endlich verstanden zu haben. Er sagte: „Moment, das kann ich Ihnen genau verraten!“, zog eine goldene Uhr aus der Tasche, die so dick war wie eine doppelte Bauernschnitte, ließ den Deckel aufspringen und sagte: „Viertel vor fünf. Bitte, sehen Sie selbst!“
    „O Opa“, stöhnte Egon, „bist du denn völlig taub?“ Und wütend hielt er seine Hände trichterförmig vor den Mund, beugte sich dem Schwerhörigen entgegen und brüllte aus Leibeskräften: „Ich habe gefragt, warum Sie hier im Bad sind!!!“
    „Finde ich auch“, antwortete der Herr beifällig. „Vor allem die Ruhe hier ist so wohltuend. Man hört überhaupt nichts.“
    „O Scheißo mio!“ rief Egon. „Wir werden Ihnen zu Weihnachten ein Paar neue Ohren schenken.“
    „Angenehm“, sagte der Alte lächelnd. „Mein Name ist Hagemann. Ich habe ein Herzleiden, ein kleines, darum bin ich hier. Aber sonst bin ich ganz gesund. Die Sehkraft läßt natürlich schon ein wenig nach, hören kann ich aber noch recht gut.“
    „Ja ja“, stöhnte Egon, „das habe ich gemerkt. Noch so ein Gespräch, und ich muß mir neue Stimmbänder besorgen. Kommt, Leute, wir gehen! Ich bin am Ende.“
    Guddel schaltete das Tonbandgerät aus, und Karl rollte das Mikrophonkabel zusammen. Sie nickten dem alten Herrn noch einmal zu und entfernten sich dann.
    „So was von Schwerhörigkeit ist mir noch nicht begegnet“, sagte Egon erschöpft. „Der verstand ja überhaupt nichts!“
    „Aber das Interview war sehr unterhaltsam“, sagte Guddel grinsend. „So richtig was zum Aufheitern in trüben Stunden. Dennoch, diese kritische Anmerkung mußt du einem treuen Freunde schon gestatten, warst du den Anforderungen, die dieses Gespräch an dich stellte, nicht gewachsen. Nicht nur ein Polizist, sondern auch ein Reporter sollte sich stets in der Gewalt haben und sich durch nichts zu unbedachten Äußerungen oder Handlungen hinreißen lassen.“
    Egon winkte ab. „Du hast gut reden“, knurrte er. „Du drückst nur aufs Knöpfchen, aber ich muß Geist verspritzen.“
    „Und das ist nicht leicht, wenn man keinen hat“, sagte Karl und klopfte Egon verständnisvoll auf die Schulter.
    Über eine Stunde bummelten sie noch durch den Kurpark. Erst als sich der Hunger wieder meldete, gingen sie in die Stadt zurück.
     

 
    „Wir haben noch hundertfünfzehn Mark und ein paar Zerquetschte“, stellte Karl fest, nachdem sie noch über eine Stunde durch den Park gebummelt waren.
    „Ein Essen im Restaurant können wir uns vorläufig nicht mehr leisten, aber zu hungern brauchen wir nicht. Ich schlage vor, wir gehen jetzt einkaufen, besorgen Butter, Wurst, Eier, Käse und bauen dann gleich vor der Stadt das Zelt auf. Mehr als fünf Kilometer mute ich meinem zerschundenen Hintern heute nicht mehr zu.“
    „Einverstanden! Ich habe auch keine Lust mehr, zu strampeln“, sagte Egon.
    Sie kauften zwei Pfund Tomaten, ein Pfund Holländer Käse, eine Dose Hering in Biersoße, zwei Weißbrote, ein Graubrot, ein Pfund Butter, ein Pfund Margarine, eine ganze Mettwurst, ein halbes Pfund gekochten Schinken, ein Paket Haferflocken, zwölf Eier, zwei Pfund Zucker und eine Schachtel

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