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Karl der Dicke & Genossen

Karl der Dicke & Genossen

Titel: Karl der Dicke & Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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die Zeit nicht so lang.“
    Egon machte: „Haha!“, nahm einen Stock auf und wanderte langsam um das Zelt herum.
    Im Wald regte sich nichts mehr. Seine Schritte waren die einzigen Geräusche. Unbeweglich standen das Zelt und die Fahrräder in der Dämmerung. Der Himmel verstrahlte sein letztes Rot. Die Sonne war schon untergegangen.
    Daß ausgerechnet mich das Los treffen muß, ist eine schreiende Ungerechtigkeit! dachte Egon und klappte sich frierend den Kragen hoch.
    Noch nie im Leben war er allein im Wald gewesen, wenn es dunkel wurde. Daß es überhaupt so still werden konnte, wunderte ihn am meisten. Er wagte kaum richtig aufzutreten.
    Immer weiter entfernte er sich vom Zelt.
    Als er an den Waldrand kam, konnte er von der Straße nichts mehr erkennen. Aber die Fahrzeuge, die noch unterwegs waren, zeigten mit den Scheinwerfern ihren Verlauf genau an.
    Er stand und guckte.
    Plötzlich schüttelte er sich und nahm seine Wanderung wieder auf. Im Wald war es gänzlich Nacht geworden. Ihn grauste, und er tastete sich mit dem Stock langsam zum Zelt zurück.
    Aber das war verschwunden! Auch die Räder waren weg! Ich bin in die falsche Richtung gegangen, dachte Egon und suchte weiter links. Doch auch da war das Zelt nicht. Es hat doch kaum dreißig Schritte vom Waldrand entfernt gestanden, überlegte er. Wie kann man sich in der Nacht bloß so verlaufen!
    Er ging immer schneller und kümmerte sich nicht mehr um die Geräusche, die er verursachte. Ein Gefühl grenzenloser Verlassenheit erdrückte ihn.
    Plötzlich erhob sich einen Schritt vor ihm ein Schatten! Egon starb vor Schreck. Der Knüppel, seine einzige Waffe, entfiel seiner zitternden Hand. Er konnte keinen Finger bewegen.
    „Latsch mir nur nicht ins Gesicht, Langer“, sagte eine Stimme, die er schon einmal irgendwo gehört hatte. Da lag jemand in einem Schlafsack auf dem Waldboden! Sicherlich hatte er Egon schon lange kommen hören.
    Es war der schmucke Gitarrespieler, den sie im Gewitterregen bei der Tankstelle getroffen hatten.
    „Was machst du denn hier?“ stammelte Egon.
    „Ich pflanze Pilze, kannste das nicht sehen?“ antwortete der andere.
    „Bist du ganz allein?“ fragte Egon voll Bewunderung über so viel Mut.
    „Nee. Meine Großmutter hängt dort am Baum im Rucksack. Aber faß sie nicht an, sie ist bissig!“
    Egon wußte nicht recht, ob er lachen sollte. Er nahm seinen Knüppel auf und machte, daß er fortkam.
    Nach einer halben Stunde verzweifelten Suchens hatte er das Zelt wiedergefunden. Da fühlte er sich halbwegs sicher.
    Notfalls konnte er Karl und Guddel wecken. Er legte sein Ohr an die Zeltwand und horchte auf ihre Atemzüge. Karl schnarchte wieder schrecklich. Warum schnarcht er erst jetzt? dachte Egon. Vorhin hätte mir das Gerassel den Weg gewiesen.
    Müde setzte er sich ins Moos. Als sein Hinterteil durchgefeuchtet war, stand er träge auf und sah nach der Uhr. Immer noch eine halbe Stunde! Die Zeit verging überhaupt nicht. Wie ersieh auf das Lager und Guddels warme Decke freute! In geringer Entfernung schrie ein Vogel auf und strich dann mit leisem Flügelschlag durch den Wald. Egon fror und hatte Angst.
    Endlich war es Mitternacht und seine Wachzeit zu Ende. Erlöst kroch er ins Zelt, um Karl zu wecken. Aber das war nicht leicht. Wenn Karl einmal schlief, konnte man ihm ein Bein absägen oder ein Kotelett aus den Rippen schneiden, ohne daß er erwachte.
    Egon zog ihn an den Füßen ins Freie und drehte ihn einigemal hin und her.
    Karl schlief.
    Egon rollte ihn auf den Bauch, so daß er seine Nase ins Laub drückte. Karl schlief.
    Da nahm Egon eine Handvoll von dem nassen Moos und steckte es ihm in die Hose. Dann schrie er ihm ins Ohr: „Karl, du hast ins Bett gemacht!“
    Das half!
    Wie ein Blitz flog Karl in die Höhe. Egon sagte schnell: „Deine Wache fängt an! Es ist Mitternacht!“ und kroch ins Zelt. Er hörte noch, wie Karl schimpfte: „Das zahle ich dir heim, Bursche!“ und wie das Moos auf das Zelt geworfen wurde. Was weiter geschah, erreichte ihn nicht mehr, denn er schlief sofort ein. Und so merkte er nicht, daß Karl nach zehn Minuten zu ihm kroch und ihm eine Hälfte der Decke wieder abnahm. Er hatte die erste Nachtwache seines Lebens hinter sich, da durfte er sich wohl einen erholsamen Tiefschlaf leisten. Karl hingegen wollte sich die erste Nachtwache seines Lebens noch ein wenig aufheben, darum hatte er sich wieder schlafen gelegt, nachdem er festgestellt hatte, daß draußen alles ruhig war.
     

 
    Karl

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