Karl der Dicke & Genossen
„Kommt bloß her! Der zieht uns glatt eins über den Schädel.“
Hastig stiegen nun auch Karl und Guddel auf und folgten Egon.
Der aufgebrachte Bauer schrie und drohte fürchterlich, konnte sie aber nicht einkriegen. Und seinen Hund ließ er auch nicht los. Wahrscheinlich hatte er gar keinen.
Auf der Straße angekommen, traten die Verfolgten mächtig auf die Pedale und waren bald in Sicherheit.
Mittags erreichten sie Bad Pyrmont.
Weil sie noch über hundert Mark in der Kasse hatten, wollten sie in einem Lokal auf vornehme Art nach der Karte speisen.
„Wenn ich ehrlich sein soll“, sagte Karl, „muß ich feststellen, daß mein Hintern eine Ruhepause verdient hat. Ich habe das Gefühl, daß mein Sattel immer härter wird. Ein Amboß ist ein Luftkissen dagegen. Am liebsten würde ich mir hier eine Satteldecke kaufen, eine mit Schaumstoff gefütterte.“
„Hör doch auf“, wehrte Egon ab, „was soll ich denn da sagen! Du sitzt doch wenigstens auf einem natürlichen Polster, aber mein Allerwertester besteht nur aus Knochen.“
„Wie du das aushältst, ist mir ein Rätsel“, sagte Karl mitfühlend.
„Vergiß nicht, daß er bedeutend weniger Gewicht auf die Waage bringt als du“, gab Guddel zu bedenken.
„Daran muß es wohl liegen“, sagte Karl und wechselte von der rechten auf die linke Sitzfläche hinüber.
In einem einfachen Gasthaus am Rande des weltbekannten Kurortes fanden sie Platz im Garten in einer halbrunden Tuffsteingrotte.
„Wenn man bedenkt“, sagte Karl weise, nachdem sie sich mit einem gewaltigen Mittagessen gelabt hatten, „daß man nicht selber vor der Pfanne hocken muß und hinterher kein Geschirr abzuwaschen hat, zahlt man diesen unverschämten Preis von 6 Mark 50 leichten Herzens.“
„Und das Schönste ist“, ergänzte Egon, „du haust dir den Bauch voll und gehst dann weg wie ein Schwein vom Trog. So richtig menschlich und vornehm.“
Sie gaben dem Kellner großzügig fünfzig Pfennig Trinkgeld. „Gönnen Sie sich ein Bier“, sagte Egon, „es wird bestimmt wieder sehr heiß heute.“
Satt und zufrieden fuhren sie in die gepflegte Stadt hinein. „Die Pyrmonter tun ja allerhand für ihr Kurgäste“, stellte Guddel fest. „Motorradfahren ist verboten, und Hupen darf man auch nicht. Hoffentlich muß niemand von uns niesen, sonst müssen wir Strafe zahlen wegen ruhestörenden Lärms.“
„Soll ich mal kurz an meiner Laufklingel ziehen?“ fragte Karl.
„Ja los!“ rief Egon. „Dann stellt sich uns bestimmt wieder ein liebenswürdiger Polizist für ein farbiges Interview zur Verfügung.“
„Zwei Polizisten in einer Sendung werden von den Hörern nicht verkraftet“, sagte Guddel. „Wir sollten uns lieber mal mit einem der reichen Kurgäste unterhalten.“
„Keine schlechte Idee!“ stimmte Egon zu. „Kommt, wir sausen in den Kurpark und fangen uns einen ein!“
Sie ließen ihre Räder am Eingang stehen, lösten drei Eintrittskarten und verwandelten sich in das Aufnahmeteam „Jugend aktuell - Wir fragen - Sie antworten“.
Langsam schlenderten sie in den Park hinein.
Anfangs wurden sie von der Pracht der vielen tausend Rosen, den gepflegten Hecken und der vornehmen Stille so gefangengenommen, daß sie gar nicht an ihr Interview dachten. Und als sie den Enten auf dem Teich Brocken eines Brötchens zuwarfen und miterlebten, wie denen die Happen von den schnellen Karpfen weggeschnappt wurden, hatten sie es völlig vergessen.
Doch im Palmengarten erinnerten sie sich wieder ihres Vorhabens, als sie dort einen älteren Herrn auf einer Bank sitzen sahen, der Hände und Kinn auf einen schlanken Spazierstock stützte und recht freundlich aussah.
„Da haben wir ein Opfer“, flüsterte Egon. „Los geht’s! Dem wollen wir mal ein paar peinliche Fragen stellen. Paß auf, Karl, daß du diesmal mit dem Mikrophon besser zurechtkommst.“
Gemeinsam traten sie auf den Herrn zu, grüßten und nahmen neben ihm Platz. Die Techniker mit Tonband und Mikrophon rechts von ihm, der Redakteur links. Karl fuhr den Mikrophongalgen aus, der nichts weiter war als sein ausgestreckter Arm, und Egon begann seine aktuelle Fragerei.
„Gestatten Sie, daß wir Ihnen einige Fragen stellen, verehrter Herr? Wir machen eine lebensnahe Sendung für den Rundfunk, wie Sie auf dem Schild hier lesen können, und suchen daher den Kontakt mit Menschen aller Altersgruppen und Einkommensklassen.“
Der freundliche Herr sah Egon an, faßte dann Karl und Guddel ins Auge und fragte, wieder Egon
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