Karl der Dicke & Genossen
Räder. Wie konnte man da schnell vorwärtskommen! Sie mußten alles über die Zäune und die Böschung der Straße hinauf schleppen und neue Ventile besorgen. Obwohl sie sich die Arbeit teilten, Guddel sich zu Fuß auf den Weg zum Fahrradhändler machte und Karl das Gepäck auf den Rädern verstaute, verging doch mehr als eine halbe Stunde, ehe sie aufsitzen konnten.
Egon saß an der Straße und war böse. Auf die langsame Polizei und auf die langsamen Freunde.
„Ihr habt euch wohl verfahren, was?“ begrüßte er sie, kaum daß sie in Sicht waren.
„Na, was ist? Was sagt die Polizei?“ fragte Karl.
„Nichts sagt sie, aus dem Fenster gucken will sie, das ist alles.“ Karl und Guddel sahen sich an. Sie verstanden nicht. „Aus dem Fenster gucken?“
„Ja, der Knabe hier hat mit seinem Kollegen ein paar Dörfer weiter ‘rauf telefoniert und ihm gesagt, er möchte mal ein bißchen aus dem Fenster gucken, ob der Dieb da vorbeikäme.“
„Und mehr wollen sie nicht tun?“ fragte Guddel ungläubig. „Das ist ja wohl ein fauler Witz!“
„Bitte, geh ‘rein und erkundige dich“, sagte Egon mürrisch. „Der Beamte hier ist allein und kann darum gar nicht weg. Und einen Überfallwagen kennt er nur aus dem Fernsehen.“ Guddel und Karl hatten inzwischen ihre Räder an einen Baum gelehnt und sich zu Egon an den Grabenrand gesetzt. Keiner sprach, alle dachten nach.
„Wir nehmen selber die Verfolgung auf!“ rief Karl nach einer Weile bestimmt. „Und zwar zu zweit. Einer bleibt hier beim Gepäck zurück. Das ist unser Hauptquartier. Der Bursche hat jetzt etwa eine Stunde Vorsprung, das sind fünfzehn Kilometer. Da er sich aber ja mal ausruhen muß, essen und so, wir jedoch ohne Pause durchfahren, können wir ihn bestimmt einholen.“
Guddel zupfte Grashalme aus.
„Du willst also fahren, ohne zu essen?“ fragte er. „Das ist ein erstaunlicher Vorschlag aus deinem Munde. Mir jedenfalls knurrt jetzt schon der Magen vor Hunger.“
„Wir essen im Fahren“, sagte Karl eifrig. „Während der eine fährt, kann der andere essen, und dann umgekehrt.“
„Sehr witzig“, bemerkte Egon. „Dann können gleich beide zusammen essen.“
„Auf alle Fälle halten wir uns damit nicht auf“, sagte Karl. „Also los, wer bleibt hier? Ich schlage Egon vor, weil der sich eben so abgehetzt hat.“
Egon war einverstanden.
Eilig schnallten sie das Gepäck ab.
„Bleib in der Nähe der Polizei, vielleicht rufen wir da mal an“, sagte Guddel im Aufsteigen. Und Karl ergänzte: „Spätestens heute abend kommen wir zurück, mach’s gut.“ Dann schwirrten sie los, Guddel voran.
Sie hatten ihre Windjacken beim Gepäck gelassen, denn die Sonne brannte wieder mörderisch. Es war zehn Uhr. Sie beugten sich weit über den Lenker und hatten zum Sprechen keine Zeit und keinen Atem. Von der Weser, die immer schmaler und lieblicher wurde, von den Bergen links und rechts, von Steinbrüchen, verschlafenen Dörfern, von Paddlern und Schiffen sahen sie nichts. Sie hörten nur das Rauschen ihrer Reifen auf dem Asphalt, sahen nur, ob die Straße stieg oder fiel.
Jagen, jagen, jagen!
Nach einer halben Stunde hob Guddel die Hand.
Karl bremste.
„Was ist los?“ keuchte er.
„Mensch, wir sind vielleicht bekloppt! Wenn der nun irgendwo abgebogen ist?“ sagte Guddel.
Karl biß sich auf die Lippe. Er war rot wie eine Tomate und glänzte wie eine fettige Bratpfanne.
„Wir müssen uns nach ihm erkundigen“, fuhr Guddel fort. „Der fällt mit seiner Gitarre auf dem Rücken doch jedem auf.“
Sie wußten nicht recht, ob sie nun in der eingeschlagenen Richtung weiterfahren oder umkehren sollten. Beides konnte falsch sein.
Da kam ihnen ein Bauer entgegen, der eine Kuh trieb.
„Haben Sie einen Jungen mit einer Gitarre auf dem Rücken vorbeifahren sehen?“ fragte Karl ihn.
Der Mann schüttelte nur den Kopf, ohne was zu sagen. „Laß uns man bis ins nächste Dorf fahren, da wird ihn schon jemand gesehen haben“, riet Guddel.
Tatsächlich hatten sie dort mehr Glück.
Ein Junge in ihrem Alter behauptete, den Gesuchten gesehen zu haben. Er sei erst vor zehn Minuten hier durchgekommen, ganz langsam, und hätte sich beim Bäcker eine große Tüte Kuchen gekauft.
„Von unserm Geld“, murmelte Karl und ballte die Faust. Laut sagte er: „Jetzt kriegen wir ihn. Der wird bestimmt irgendwo sitzen und essen.“
Sie stiegen auf und jagten weiter.
Kaum waren sie durch den Ort, da fanden sie ihren Liebling. Er lag rechts der
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