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Karl der Dicke & Genossen

Karl der Dicke & Genossen

Titel: Karl der Dicke & Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Schrader
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Clinch auf und fand schließlich eine Lücke für einen bildschönen Leberhaken und einen mörderischen Schlag auf seine Kinnspitze. Wie ein Gummiball taumelte er in die Weser. Seelenruhig konnte ich nun das Portemonnaie an mich nehmen, den Betrag nachzählen und, nachdem ich das Fahrrad und die Gitarre ins Wasser geworfen hatte, gemächlich über die Zäune steigen und hierher zurückkommen.“
    Karl und Guddel staunten und fragten sich, wie es wohl wirklich gewesen sein mochte, denn daß Egon mächtig aufschnitt, merkte ja ein Tauber. Aber schließlich hatte er das Geld wiederbeschafft, und dafür konnte man ihm das Angeben schon mal verzeihen.
    „Ich glaube, Egon, ich habe dich immer unterschätzt“, sagte Karl bewundernd, „du bist ein As. Daß wir Hannoversch Münden bei lebendigem Leibe erreichen, verdanken wir nur dir.“
    Egon klopfte Karl auf die Schulter und sagte: „Späte Einsicht ist besser als keine. Ich verzeihe dir. Aber was mich betrifft, ich hielt schon immer große Stücke von mir.“ Guddel machte der Lobhudelei ein Ende, indem er an das Gepäck ging und ein Brot herausholte.
    „Wenn ich nicht bald was zu essen kriege“, knurrte er, „könnt ihr euch bald nach einem preiswerten Liegeplatz für Frühverschiedene auf dem hiesigen Friedhof umsehen. Setzt euch, wir wollen frühstücken.“
     

 
    Nachdem sie bis weit in den Nachmittag hinein gefrühstückt und die Vorräte bis auf einen Kanten Käse restlos aufgeges-sen hatten, hockten sie wieder auf.
    „Wenn ich so über unser Reisetempo nachgrüble“, sagte Karl träumerisch im Fahren, muß ich feststellen, daß eine Schnecke, die im ersten Gang dahinprescht, uns immer noch um eine Nasenlänge voraus ist.“
    „Aber nur um eine Schneckennase“, rief Egon.
    Guddel lachte und sagte: „Also, Karl, wenn du diese gelungenen Bilder von dahinpreschenden Schnecken, die um Nasenlängen siegen, in deinen Aufsätzen verarbeitest, brauchst du dir um deine Deutschzensur keine Sorgen zu machen. So etwas hat der Paradegeier bestimmt noch nicht gehört.“
    „Pah!“ machte Karl. „Der hat doch keine Antenne für moderne Umgangssprache. Was der uns beibringt, das ist doch ein Rückschritt ins finsterste Mittelalter.“ Und er rezitierte:
„Der Morgen kam, es scheuchten seine Tritte
Den leisen Schlaf, der mich gelind umfing,
Daß ich, erwacht, aus meiner stillen Hütte
Den Berg hinauf mit frischer Seele ging.
    Damit lockst du doch heutzutage kein Schwein hinterm Ofen hervor.“
    „Um ehrlich zu sein“, bemerkte Egon, „sind Schweine ja auch nur sehr selten hinter dem Ofen. Was aber deine herbe Kritik angeht, an mir hat es nicht gelegen, daß wir noch nicht in Hannoversch Münden sind. Und wenn euer müder Zustand es erlaubt, legen wir mal ein paar Schaufeln mehr auf. So dreißig bis vierzig Sachen sind bei mir jederzeit drin.“
    „Bei mir nicht“, sagte Guddel. „Ich lege keinen Wert auf Rekorde, und Zelten und Essen genügen mir nicht. Ich will was sehen auf unserer Fahrt.“
    „Du machst mir Spaß!“ rief Karl. „Sag bloß, du hast bisher noch nichts gesehen? Dann mußt du mit geschlossenen Augen gefahren sein.“
    „Natürlich habe ich schon was gesehen, aber meistens deinen breiten und Egons schmalen Hintern, weil ihr das Tempo angebt. Nein, jetzt ist mal ein Breitwandbild fällig.“ Er hielt an und kramte in seinem Gepäck.
    „Nun macht bloß nicht so saure Gesichter! Wenn wir wieder zu Hause sind, seid ihr mir dankbar für die vielen Schnappschüsse.“
    „Immer wenn er ‘ne Pause braucht, schießt er ein Foto“, knurrte Karl. „Dabei waren wir so schön in Fahrt.“ Guddel stellte sein Fahrrad an einen jungen Baum, band den Fotoapparat auf dem Sattel fest und führte einen Zwirnsfaden unter der Rahmenquerstange durch über die Straße, wo Egon und Karl neben einem weißen Kilometerstein standen und zum Schein die Karte studierten. Er richtete die Kamera mit Stöcken und kleinen Steinen so aus, daß er die beiden Freunde genau im Sucherfenster hatte. Dann stellte er sich neben sie und nahm den Zwirnsfaden auf.
    Da schoß ein Auto heran.
    Wie der Blitz fegte Guddel mit dem Faden zu seiner Kamera zurück.
    Das wiederholte sich zweimal.
    Endlich konnte er aber doch die Aufnahme machen. Karl zog eine Grimasse, um ihn zu ärgern. Er machte ein Gesicht wie ein zerbeulter Eimer.
    „So“, sagte er, „nun hast du wohl genug mit deiner blöden Knipserei.“
    Sie fuhren weiter, durchquerten Beverungen und legten Kilometer um Kilometer

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