Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
war. Auch blieb Leo und Karl Ende 800 , nach der Ankunft des Königs in Rom, noch hinreichend Zeit, um über das Kaisertum und den Krönungsakt im Einzelnen zu verhandeln.
    Vor der Krönung aber mussten erst die schweren Vorwürfe gegen den Koronator aus der Welt geschafft werden. Die Sache war heikel. Ein Gerichtsverfahren gegen den Papst war im Kirchenrecht nicht vorgesehen: »Der erste Sitz wird von niemandem gerichtet!« Der Satz, eine Fälschung der Zeit um 500 , galt mittlerweile als gutes altes Recht. So konnte, so wollte sich Leo keinem Gericht stellen. Stattdessen leistete er am 23 . Dezember des Jahres 800 einen Eid: Leo schwor, er habe das, was man ihm vorwarf, nicht getan. Das Ritual war alt, es wurde damals auch sonst häufig praktiziert. Dass nun sogar der Papst es nutzte, war ein praktikabler Ausweg: Der vorweihnachtliche Reinigungseid sicherte Leo das Amt. Zwei Tage später krönte er Karl zum Kaiser.
    Was genau an jenem Weihnachtstag des Jahres 800 in der Peterskirche geschah, können Historiker nur in groben Zügen aus wenigen zeitnahen Berichten rekonstruieren. Die Geistlichen an Karls Hof notierten in einem offiziösen Jahresbericht, den sie im Reich zu verbreiten gedachten: »Als der König sich am heiligen Weihnachtstag gerade vom Gebet vor dem Grab des seligen Apostels Petrus zur Messe erhob, setzte ihm Papst Leo eine Krone aufs Haupt. Und das ganze Römervolk rief dazu: ›Dem erhabenen Karl, dem von Gott gekrönten und friedenbringenden Kaiser der Römer Leben und Sieg‹! Und nach den lobenden Zurufen wurde er vom Papst nach der Sitte der alten Kaiser mit einem Kniefall geehrt und fortan, unter Weglassung des Titels ›Patricius‹, ›Kaiser‹ und ›Augustus‹ genannt.« An Karls Hof legte man Wert auf die Kontinuität zu den alten Kaisern und den Kniefall des Papstes. Über die politischen Hintergründe des Geschehens verloren die Annalisten kein Wort.
    Anderes wusste der Erzbischof Richbod von Trier zu erzählen: Eine Synode unter Leitung Leos habe die Kaiserkrönung beschlossen. In Byzanz nämlich habe seinerzeit nur eine Frau regiert, Karl aber habe alle Residenzen der alten Kaiser in der Italia, der Gallia und der Germania besessen. Den Bitten der Geistlichen und des »gesamten christlichen Volkes« habe sich König Karl nicht verweigern wollen.
    Wieder anderes berichtete jener römische Geistliche, der im Buch der Päpste nach Leos Tod 816 dessen Biografie eintrug. Er schrieb den Römern einen kräftigen Anteil am Geschehen zu: Leo habe Karl eine überaus kostbare Krone aufs Haupt gesetzt; darauf hätten einmütig alle römischen Gläubigen dreimal gerufen: »Karl, dem allermildesten, von Gott gekrönten Augustus, dem großen und friedenbringenden Kaiser, Leben und Sieg!« So sei Karl »von allen« zum »Kaiser der Römer« gemacht worden. Von einem Fußfall des Papstes berichtete der Geistliche bezeichnenderweise nichts. Verschwieg der Römer den Akt wider besseres Wissen? Oder hatte, umgekehrt, sein fränkischer Kollege am Karlshof den Kniefall erfunden, um seinen Lesern die Hierarchie zwischen Papst und Kaiser vor Augen zu stellen?
    Und dann ist da noch die berüchtigte »Kölner Notiz«. Sie steht in einem Buch, das einst dem Erzbischof Hildebald von Köln gehört hatte. Heute liegt der Codex in der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek in Köln, Signatur: Cod. 83 ( II ). Hildebald war ein wichtiger und wohlinformierter Mann: Als Erzkapellan stand er den Geistlichen an Karls Hof vor. Eine kurze historisch-chronologische Notiz im Kölner Codex 83 ( II ) endet mit der berühmten Datumsangabe: »... bis zu diesem 3 1 . Jahr der Herrschaft des Königs Karl, diesem Jahr, … in dem Gesandte aus Griechenland kamen, damit sie ihm das ›imperium‹ übertrügen«. So knapp die Formulierung ist, so aufregend ist sie für Mediävisten. Denn die Datierung führt in das Jahr 798 , also in die Zeit vor der Kaiserkrönung; und sie wurde wohl auch damals schon in Hildebalds Buch eingetragen. Mancher Historiker ist deshalb geneigt, hier den wahren politischen Hintergrund des Krönungsaktes zu sehen: Gesandte der byzantinischen Kaiserin Irene hätten Karl schon 798 das »imperium« angetragen, das »Kaisertum«. Nicht ein von Rebellen bedrängter Papst, sondern eine Kaiserin am Bosporus mit zweifelhafter Legitimität stünde dann hinter der Wiederbelebung des Kaisertums im Westen. Doch ist auch diese kleine Notiz alles andere als eindeutig. Zwar ist die Datierung des Eintrags sicher;

Weitere Kostenlose Bücher