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Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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und dreht den Mangel geschickt zum didaktisch wertvollen Hinweis: »Bei seinen menschlichen Zeitgenossen sind wir meist nicht viel besser informiert.« Der gigantische Säuger falle nicht aus dem Rahmen, das Informationsdefizit sei eben ein generelles Problem der Mittelalterforschung.
    Immerhin sind viele hübsche Details unumstritten oder jedenfalls einleuchtend. Wie schafft man das mehrere Tonnen schwere Tier aus arabischer Hitze über Tausende von Kilometern in Karls Herrschaftsgebiet? Auf dem kürzesten Weg natürlich – nur kontrollierten den die Byzantiner, denen nicht zu trauen war. Also aufs Mittelmeer zu, vielleicht über die heilige Stadt Jerusalem und dann immer die Küste entlang – durchs heutige Israel, Ägypten, Libyen bis nach Tunesien. Mögen die Sohlen des Dickhäuters auch, nun ja: dick gewesen sein – ein Vergnügen war die Reise für das Tier wohl kaum.
    Das menschliche Begleitpersonal hatte es dabei nicht leicht: Schließlich verzehrt ein ausgewachsener Elefant täglich rund 150 Kilogramm Gräser und Blätter und trinkt über 100 Liter Wasser dazu. Das alles heranzuschaffen, schlimm genug. Aber dann muss auch alles erst einmal verzehrt werden! Damit bringen Elefanten viele Stunden, rund drei Viertel ihres Tages zu. Wenig Zeit also zum Reisen, denn auch der geduldigste Elefant will zwischendurch noch ein wenig ruhen.
    Die beiden Leiter der diplomatischen Mission, Lantfried und Sigismund, überlebten die Strapazen der Reise nicht. Namentlich erwähnt als Abu al-Abbas’ menschlicher Begleiter wird in den Reichsannalen nur noch »der Jude Isaak«, wohl eine Art Reiseleiter mit hilfreichen Sprachkenntnissen. Gemeinsam absolvierte das Duo samt Tross die Reise übers Mittelmeer auf einem eigens zurechtgezimmerten Transportkahn, vorbei an den byzantinisch regierten Inseln Sardinien und Sizilien.

    In Porto Venere landete man erst so spät im Herbst 80 1 an, dass die mühselige Überquerung der Alpen schon nicht mehr in Frage kam. Also bezog die kuriose Reisegruppe Winterquartier im piemontesischen Vercelli und machte sich erst im späten Frühjahr 802 auf die Weiterreise. Die genaue Route ist nicht überliefert, obwohl es doch immerhin um die erste urkundlich verbürgte Alpenquerung eines Elefanten seit Hannibals berühmtem Manöver 1000 Jahre zuvor ging. Manche Indizien sprechen für den Pass über den Großen Sankt Bernhard. Dann ging es durch die heutige Schweiz, den Rhein entlang. Am 20 . Juli 802 traf das Sensationsgeschenk samt menschlicher Begleitung in Aachen ein.
    Grandioses macht aber auch Mühe. Ein Elefant ist teuer, er braucht Betreuung. Der Machthaber aus dem Osten hatte vor allem seinen enormen Reichtum beweisen wollen, durch ein im Wortsinn unübertreffliches Geschenk. Karls Biograf Einhard brach der darin steckenden Demütigung später geschickt die Spitze: Der König habe beim Kalifen eigens um den Elefanten gebeten. Das mag glauben, wer will; Regierungssprecher fühlten sich schon damals nicht immer allein der Wahrheit verpflichtet. Wer auch immer die Idee hatte, der Elefant war jedenfalls in Aachen. Die Manager der Kaiserpfalz, nicht zuletzt der Schatzmeister, dürften sich die Haare gerauft haben. Was konnte Karl der im selben Jahr eintreffenden Delegation aus Bagdad im Gegenzug mitgeben – einen zahmen Drachen? Einen extragroßen Bären? Eine Handvoll gefangengenommener Normannen, die zu dieser Zeit erstmals die Küsten unsicher machten, als Beweis dafür, dass es auch unter ungehobelten Gewalttätern noch feine Abstufungen gibt? Welche Lösung die Geschenke-Planer zuletzt aufboten, ist nicht bekannt – Karls zeitgenössischen Propagandisten verschlug Haruns Geste die Sprache. Erst ein Jahrhundert später präsentierte Notker die doch eher lahme Lösung, man habe dem morgenländischen Milliardär mit friesischen Tuchen und besonders furchtlosen Jagdhunden zu imponieren versucht.
    Immerhin schien man bei Hofe die diplomatische Mission für einen Erfolg zu halten. Warum sonst hätte Karl noch im selben Jahr eine zweite Gesandtschaft gen Osten geschickt? Das Grüpplein verließ Aachen 802 und kehrte vier Jahre später über Treviso zurück. Auf der Heimreise durch die Adria gelang es dem Kapitän offenbar, sein Schiff mit den kaiserlichen Emissären an Bord unbemerkt durch die Seeblockade der damals übermächtigen byzantinischen Flotte zu lotsen. Das maritime Meisterstück rettete reiche Geschenke aus dem Morgenland: kostbare Wandbehänge, Gewürze und Wohlgerüche, eine

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