Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
strengstens verbieten lassen und damit die Kirchenprovinz Konstantinopel von den übrigen vier Patriarchaten abgespalten. Irenes erster Versuch, den Ikonenkult wieder einzuführen, scheiterte noch jämmerlich. Die Kaiserin und der neu von ihr ins Amt gehobene Patriarch Tarasius luden 786 zum siebten ökumenischen Konzil in die Apostelkirche von Konstantinopel. Doch die beiden hatten unterschätzt, wie wichtig dem Militär die scharfe Verurteilung der Ikonenverehrung war. In den Köpfen seiner Führer war die Bilderfeindlichkeit Konstantins V. eng verbunden mit den glorreichen militärischen Erfolgen, die sie unter ihm gefeiert hatten. Kaum hatten sich bei der Versammlung die Bischöfe der Patriarchate gesetzt, stürmten Soldaten die Apostelkirche und drohten, Tarasius umzubringen. Das Konzil war damit gesprengt.
Ob Irene selbst etwas daran gelegen war, Ikonen verehren zu dürfen, ist gar nicht einmal sicher. Zwar stellen die zeitgenössischen Quellen sie natürlich als große Verfechterin der Ikonodulie (des Bilderkultes) dar, doch hatten die Schreiber damals kaum eine andere Wahl. Viel wahrscheinlicher ist, dass die Herrscherin im Sinne der Politik ihres Schwiegervaters als Ikonoklastin aufgewachsen war.
Ihr Engagement in der theologisch heiklen Frage, so vermuten die Fachleute, war kaum persönlich begründet. Aber sie sah anscheinend genau, dass sich Konstantinopel mit der Ablehnung der Ikonenverehrung nicht nur religiös, sondern auch politisch ins Abseits manövriert hatte. Mit der Rückkehr zum Mehrheitsdogma würde sie ihr Reich wieder in die Pentarchie der Patriarchate (Konstantinopel, Antiochia, Jerusalem, Alexandria und Rom) eingliedern können.
Wenn Irene sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, war sie nicht so leicht davon abzubringen. Also machte sie sich daran, all jene Teile des Heeres aufzulösen, die in der Apostelkirche ihre Pläne durchkreuzt hatten. Bei der Neuordnung des Heeres besetzte sie die Führungspositionen sorgfältig mit Männern, die ihr ergeben waren. 787 war es so weit. Die Einladungen für das Konzil konnten erneut ausgesandt werden. Auch den Ort hatte sie diesmal klug gewählt: Nach Nicäa lud die Kaiserin, in jene Stadt, wo Konstantin I. im Jahr 325 die erste ökumenische Versammlung abgehalten hatte. Tatsächlich lief nun alles reibungslos. Am Ende durften Ikonen wieder verehrt werden, Konstantinopel hatte sich der übrigen christlichen Welt angenähert – und Irene ließ sich und ihren Sohn als Neuauflage des 325 so erfolgreichen Mutter-Sohn-Paares Helena und Konstantin I. feiern.
Noch hatte sie ihren Sprössling unter Kontrolle. Als sie im Jahr des Konzils die Verlobung mit der fränkischen Prinzessin Rotrud auflöste und ihn stattdessen mit der Oströmerin Maria vermählte, beugte er sich noch, wenn auch zähneknirschend, dem Willen seiner Mutter. Aber im Alter von 19 Jahren hielt er es schließlich nicht mehr aus. Noch traute er sich nicht, seine Mutter direkt anzugreifen. Stattdessen plante er, den einflussreichen Eunuchen Staurakios kaltzustellen, was seine Mutter empfindlich geschwächt hätte. Die aber bekam Wind von der Sache. Sie ließ Konstantins Berater allesamt verhaften und auspeitschen. Wer nicht ins Exil musste, wurde unter Hausarrest gestellt. Auch Konstantin bekam im Eifer des Gefechts Hiebe ab und wurde in eine Zelle gesteckt.
Irene sah nun den Zeitpunkt gekommen, das Militär auf sich einzuschwören und damit endlich die Alleinherrschaft in die Hand zu nehmen. Doch das Heer weigerte sich, einer Frau zu gehorchen. Die Anführer hatten ihre Eide einst auf Konstantin und Irene geschworen – und zwar in dieser Reihenfolge, mit dem rechtmäßigen Erben an erster Stelle. Irene war klug genug zu wissen, dass sie diesen Kampf nicht gewinnen konnte, und hielt sich zurück, um nicht alles zu verlieren. Konstantin zog in die kaiserlichen Gemächer ein, wo Maria bald darauf eine Tochter zur Welt brachte. Das kleine Mädchen bekam den Namen ihrer Großmutter: Irene. Die Kaisermutter aber musste umziehen in den Palast von Eleutherios.
Konstantin erwies sich als kein sonderlich geschickter Herrscher und war auch militärisch unbegabt. Das Heer murrte. Nach nur zwei Jahren war die Unzufriedenheit so gewachsen, dass sein Stiefonkel Nikephoros mit Unterstützung der Truppen erneut einen Putschversuch unternahm. Diesmal fiel die Bestrafung weniger feinsinnig aus: Konstantin ließ Nikephoros blenden, seinen übrigen vier Stiefonkeln die Zungen herausschneiden – und
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