Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Wahl für ihren Sohn ablehnte, ist nicht bekannt. 787 jedenfalls wurde das Eheversprechen gelöst, und Irene zwang Konstantin im November des folgenden Jahres, stattdessen Maria von Amnia zu heiraten – ein Mädchen, das die Kaiserin mittels einer Brautschau unter allen geeigneten Kandidatinnen für ihren Sohn ausgewählt hatte. Wenn Mütter die Ehefrauen für ihre Söhne aussuchen, geht das meistens schief. Die Ehe jedenfalls sollte keine glückliche werden.
Einige Historiker vermuten, dass auch Irene selbst als Gewinnerin eines solchen Castings zur Gemahlin des späteren Leo IV. geworden war. Die Überlieferung sagt nichts dazu. Wahrscheinlicher ist, dass Leos Vater mit dieser Heirat die Provinz Hellas enger an Konstantinopel binden wollte. Irene war, so behauptete sie, eine Waise, jedoch fest verankert in der angesehenen Familie der Sarantapechos. Leo war 19 Jahre alt, Irene vermutlich 14 , als die beiden am 1 7 . Dezember 769 getraut wurden. 13 Monate danach kam ihr Sohn Konstantin zur Welt, und sechs Jahre später folgte Leo seinem Vater auf den Thron. Alles lief nach Plan im Hause Byzanz, die Zukunft schien golden.
Doch das Glück trübte sich ein, als Leo im folgenden Jahr den kleinen Konstantin zum Mitkaiser machte. Leos fünf Halbbrüder aus der dritten Ehe seines Vaters sahen ihre Chancen auf den Kaiserthron in Gefahr und planten einen Aufstand. Leo konnte das Schlimmste verhindern. Doch es sollte nicht das letzte Mal bleiben, dass es die Verwandtschaft nach der Macht gelüstete. Nur fünf Jahre nach der Thronbesteigung starb Leo IV. am 8 . September 780 einen der wohl absurdesten Tode in der Geschichte europäischer Herrschaftshäuser. Angeblich wurde ihm seine unmäßige Vorliebe für eine gewisse Krone aus dem Schatz der Hagia Sophia zum Verhängnis. Er soll das gute Stück so exzessiv getragen haben, dass seine Stirn mit Eiterbeulen übersät war. Diese Karbunkel, erzählen zeitgenössische Chronisten, hätten sich entzündet und zu seinem Tod geführt. Spätere Historiker fragten sich, ob Irene vielleicht ihre Hand im Spiel gehabt und dem Tod ihres Ehemannes mit einem langsam wirkenden Gift nachgeholfen haben könnte. Jedenfalls inszenierte sie die Rückgabe der fatalen Krone an die Kirche am ersten Weihnachtstag desselben Jahres als großes Spektakel mit einer feierlichen Prozession.
Mosaikporträt der Kaiserin Irene.
Hagia Sophia, Istanbul
Robert Godong/Picture Alliance/dpa
Irene war nun 25 Jahre alt, ihr Sohn gerade einmal 9 . Klein Konstantin würde mindestens noch sechs Jahre lang die Mutter als Regentin an seiner Seite brauchen. Offenkundig, so schließt die britische Expertin Judith Herrin, war Irene dort angekommen, wo sie hinwollte. Als Ehefrau Leos hatte sie Macht nur indirekt ausüben können. Nun, als seine Witwe, musste sie sich nicht mehr zurückhalten. Die ersten Münzen des Mutter-Sohn-Herrscherpaares, noch geprägt im Todesjahr des alten Kaisers, zeigten dem Volk die neuen Machtverhältnisse. Konstantin steht dort rechts neben dem Kreuz, Irene auf der linken Seite.
Dass Leos Halbbrüder erneut nach dem Thron greifen würden, war Irene klar. Es gelang ihr, die Pläne zu durchkreuzen, und zur Strafe zwang sie die fünf, Kleriker zu werden. Als Gottesmänner durften sie keine Frau mehr haben, folglich auch keine Erben zeugen. Ihre Rache kostete Irene genüsslich am Weihnachtsfest aus: In ebenjenem Gottesdienst, in dem sie die schicksalhafte Krone zurückgab, mussten die Brüder ihres verstorbenen Gatten beim Heiligen Abendmahl Brot und Wein aushändigen. Mit diesem Schachzug, vor allem aber mit der Feier ihres Triumphes in der Öffentlichkeit, brachte sie rasch all jene zum Schweigen, die geglaubt hatten, es mit einer schwachen, leicht manipulierbaren Frau zu tun zu haben. Irene stand bereits in den ersten Monaten ihrer Regentschaft eisern ihren Mann. Für die Außenpolitik war das nur sinnvoll. 78 2 führte der Kalif Harun al-Raschid eine große Armee nach Anatolien; Irene konnte nur mit hohen Tributzahlungen Schlimmes verhindern. Im folgenden Jahr unterwarf dann ihr Außenminister, der ihr politisch sehr nahestehende Eunuch Staurakios, die slawischen Stämme im Norden Griechenlands. Der byzantinische Machtanspruch in Thrakien war bald wieder gesichert.
Der Nachwelt in Erinnerung geblieben ist Irene allerdings nicht für strategische Erfolge, sondern für die Wiedereinführung der Bilderverehrung. Die hatte ihr Schwiegervater Konstantin V. auf dem Konzil von Hiereia im Jahr 754
Weitere Kostenlose Bücher