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Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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wie sie Tag für Tag dazulernten. »Je weiter man nach oben kommt, desto besser wird die Ausführung«, sagt Ley. Aber nicht nur lokale Arbeiter konnten Karls Baumeister in erstaunlichem Umfang rekrutieren. Zum Ausbau Aachens wurden aus dem ganzen Reich und den Klöstern Baumaterial, Arbeitskräfte und Fachleute herangezogen. Die Abtei St. Gallen etwa stellte der Pfalz einen Glockengießer-Mönch sowie einen Glaser.
    Unten, auf dem Weg durch die Innenstadt zum Dom, übernimmt Harald Müller, 50 , die Führung, Geschichtsprofessor an der RWTH Aachen. In der Stadt am Dreiländereck wird interdisziplinär daran gearbeitet, die Rätsel der großen Vergangenheit zu lüften. Archäologen der Stadt, Architekten wie Judith Ley, deren Regia-Studien die Deutsche Forschungsgemeinschaft bezahlt, Geschichtswissenschaftler der Universität und Kunsthistoriker des Doms stehen hier in ständigem Austausch.
    »Wir nehmen heute an, dass das repräsentative Bauensemble aus Kirche und Königshalle etwa in den Jahren 794 bis 804 entstanden ist«, sagt Müller. »In nur zehn Jahren also, sagenhaft schnell.« 794 dehnte Karl, der schon als Prinz hier mit seinem Vater überwintert hatte, seinen Aufenthalt erstmals ungewöhnlich lange aus, bis in den Hochsommer. Während der 20 Jahre bis zu seinem Tod verbrachte er dann bis auf drei jeden Winter hier, immer häufiger auch die Sommer. Dass Karl es sich leisten konnte, an einem Ort zu bleiben, zeigt, wie mächtig er war, wie wenig äußere Gegner noch drohten, wie gut er sein Reich im Griff hatte. Ihm unterstand eine auf schriftlichen Anweisungen beruhende Verwaltung. Denn in Aachen mussten viele Menschen verköstigt werden, die nicht selbst ihr Feld bestellten; bis zu 2000 Personen, so die Forscher, weilten an hohen Festtagen am Hof. Der Nahrungsmittelbedarf war einer der Gründe, warum mittelalterliche Herrscher zum Nomadentum verdammt waren – wie eine Herde graste der Hof die Gegend ab und zog dann weiter.
    Die Bewirtschaftung der Krongüter regelte das berühmte »Capitulare de villis« mit detaillierten Vorschriften. Darüber hinaus waren Klöster aus dem gesamten Reich zu Lieferungen an die Pfalz verpflichtet. So war der Bischof von Toul gehalten, drei Fuder Wein über Bonn nach Aachen zu schaffen. Das Kloster Saint-Remi in Reims als königlicher Fleischlieferant verzeichnet ein »bos aquensis«, den »Aachen-Ochsen«. Ein ungenannter Bischof wurde bei einem Besuch des Kaisers aufgefordert, dem Hof jährlich zwei Wagenladungen köstlichen Käses zu schicken – zum Dank bekam er ein Landgut.
    Heute beurteilen viele Karls Sesshaftwerden als »Experiment, das schiefging«, so der Mediävist Müller. »Anfangs war die Motivation dafür vermutlich das Ruhebedürfnis eines alternden Mannes.« Karl ging auf die 50 zu, als er sich für die letzten beiden Jahrzehnte seines Lebens in Aachen niederließ. »Der Rest war Gewöhnung.« Schief ging der Versuch, weil das Reich an den nördlichen und östlichen Rändern erneut unruhig zu werden begann. Nach seinem Tod war Aachen rasch nicht mehr fränkische Hauptstadt; schon 881 nutzten die einfallenden Normannen Karls geliebte Marienkirche als Pferdestall. Sie liegt 125 Meter südlich des Rathauses, außerhalb der römischen Wehrmauern. Schon die Eingangstüren des heutigen Doms sind Spitzenerzeugnisse karolingischer Werkstätten. Lange hatte man vermutet, die prächtigen Bronzeportale müssten importiert worden sein, bis man 1911 Reste einer Gießerei auf dem Katschhof fand. Die Kunstfertigkeit der Gießer zeigt sich auch an den Emporengittern im Inneren: fränkisch-geometrisch gemustert, aber auch klassizistisch-römisch mit Akanthusranken verziert, alle mit hohem technischem Aufwand aus einem Stück gegossen. Im Vorraum des Kirchenbaus stehen links ein fast meterhoher Pinienzapfen aus Bronze und rechts eine Tierplastik. Für den Laien ist das riesige Wesen, das aufrecht hockt, die Vordertatzen weit ausgestellt, nicht leicht identifizierbar. Tatsächlich soll das wolfsähnliche Wesen eine Bärin darstellen. Lange galten Tier, Zapfen und die – verschollene – Reiterstatue Theoderichs, die Karl aus Ravenna heranschaffen ließ, als Belege für die Theorie, der Herrscher habe aus Aachen ein zweites Rom machen wollen. Das Trio aus Bronze würde dieser Auffassung zufolge an ikonische Werke in der Stadt des Papstes erinnern: an die römische Wölfin, an die Reiterstatue Marc Aurels und an den Zapfen im Atrium des Petersdoms.
    Der Ursprung dieser

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