Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
romanischer Sprache geredet hatte, schwur Ludwig als der Ältere zuerst solches zu tun:
Pro deo amur & per christian poblo & nostro comun saluament . dist di in auant . in quant deus sauir & podir me dunat . si saluarai eo . cist meon fradre Karlo . & in adiudha . & in cadhuna cosa . si cum om per dreit son fradra saluar dist. In o quid il mi altresi faz&. Et ab Ludher nul plaid numquam prindrai qui meon uol cist. meon fradre Karle in damno sit.
»Aus Liebe zu Gott und zu des christlichen Volkes und unser beider Heil von diesem Tag an in Zukunft, soweit Gott mir Wissen und Macht gibt, will ich diesen meinen Bruder Karl sowohl in Hilfeleistung als auch in anderer Sache so halten, wie man von Rechtswegen seinen Bruder halten soll, unter der Voraussetzung, daß er mir dasselbe tut; und mit Lothar will ich auf keine Abmachung eingehen, die mit meinem Willen diesem meinem Bruder Karl schaden könnte.«
Und als Ludwig geendet hatte, beschwor Karl in deutscher Sprache Gleiches:
In godes minna ind in thes christianes folches ind unser bedhero gealtnissi . fon thesemo dage frammordes so fram so mir got geuuizci indi madh furgibit so haldih tesan minan bruodher soso man mit rehtu sinan bruher scal in thiu thaz er mig sosoma duo . indi mit Luheren in noheiniu thing ne gegango . the minan uuillon imo ce scadhen uuerhen.
Der Eid aber, welchen beide Völker, jeder in seiner Sprache, leisteten, lautete in romanischer Sprache so:
Si Lodhuuigs sagrament . quae son fradre Karlo iurat conseruat. Et Karlus meos sendra de suo part non lo stanit . si io returnar non lint pois . ne io ne neuls cui eo returnar int pois . in nulla aiudha contra Lodhuuuig nun li iuer.
»Wenn Ludwig den Eid, den er seinem Bruder Karl schwört, hält und Karl mein Herr ihn seinerseits nicht hält, wenn ich ihn davon nicht abbringen kann, werde weder ich noch irgendeiner, den ich davon abbringen kann, ihm gegen Ludwig irgendwelchen Beistand geben.«
Und in deutscher Sprache:
Oba Karl then eid . then er sinemo bruodher Ludhuuuige gesuor geleistit . indi Ludhuuuig min herro then er imo gesuor forbrihchit . ob ih inan es iruuenden ne mag . noh ih noh thero nohhein then ih es iruuenden mag uuidhar Karle imo ce follusti ne uuirdit.
Poetische Propaganda
Otfrid von Weißenburg reimte in »frenkisga zungun« – und verschwieg nicht die Mühe, die ihn das kostete.
Von Susanne Beyer
Er hat sich gerechtfertigt für das, was er tat; er wusste, es ging nicht anders. Zu ungeheuerlich war sein Tun. War es Anmaßung? Überheblichkeit? Oder war es notwendig, überfällig? Jedenfalls war es der Beginn von etwas unschätzbar Wertvollem, der Beginn deutscher Dichtung. Und es war der Anfang von etwas Gefährlichem: der Instrumentalisierung deutscher Dichtung für politische Propaganda.
Zu seiner Zeit schrieben praktisch nur Mönche, wie er selbst einer war. Die meisten schrieben nur ab, in Schönschrift: Bibeltexte, Schriften der Kirchenväter, Urkunden, ab und an auch Dichtung, lateinisch natürlich. Doch Otfrid, Mönch im elsässischen Weißenburg, geboren um 800 , gestorben um 870 , Schüler des Rabanus Maurus – dieser Otfrid hatte anderes vor: Er wollte in seiner eigenen Sprache, dem südrheinfränkischen Dialekt, schreiben, ein Evangelienbuch, in dem er nicht nur das Leben Jesu, sein Sterben und seine Auferstehung nacherzählen, sondern auch kommentieren wollte. Und es ging ihm eben nicht bloß darum, die eigene Sprache zu verwenden – er wollte sie formen zu etwas, was sie nie zuvor gewesen war: zu Dichtung, zu etwas Neuem, Erdachtem, Regelhaftem, Artifiziellem, Schönem.
Es gab kaum Vorbilder dafür. Immerhin hatte Otfrids Lehrer Rabanus Maurus um das Jahr 830 die Evangelienharmonie des Tatian ins Althochdeutsche übertragen lassen. Doch das war keine Literatur, sondern blieb eine Wort-für-Wort-Übersetzung, die sich vom Lateinischen nicht freimachte. Außerdem gab es nur die altsächsische Evangelienharmonie namens »Heliand« (»Heiland«) mit beeindruckenden 5983 stabreimenden Langzeilen, entstanden um oder vor 840 , Verfasser unbekannt. Und nun Otfrid. Er wollte als Autor durchaus in Erscheinung treten, und damit tat er etwas, das literarisch fortan immer wichtiger werden sollte, nämlich das schreibende Ich Perspektive und Ton bestimmen zu lassen.
In seiner ausschweifenden Rechtfertigung, warum er nicht auf Latein schreibe, sondern in seiner eigenen Sprache, kehrte Otfrid eines besonders hervor: Er gebrauche die Volkssprache, damit auch Menschen, die das
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