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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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materielle Aufwand, der dafür zu betreiben war, forderte des Königs Schutz und seine Sorge um die eigenen Wirtschaftshöfe wie um die kirchlichen Grundherrschaften, mithin eine effiziente Wirtschaftsordnung, soweit sie dem Zugriff des Königs unterlag. Allenthalben wurde Erneuerungsbedarf sichtbar. Karl wußte darum.
    Er, der mächtige König und Eroberer, verschmähte Belehrung nicht und er dankte seinem Lehrmeister Alkuin: «Ich gestehe, daß mich der Wissensdurst zum Fragen brachte, und ich danke dir, daß du keine Einwände dagegen hattest»[ 132 ]. Das war mehr als eine großmütige Geste des großen Mannes; der König wußte um die Dringlichkeit zu erneuernder Bildung. Er verlangte, er forderte sie, aber er ahnte zugleich, daß Wissen und Wissenschaft ein eigenes Reich bildeten, das zu betreten nicht jedermann – auch der erfolgreichste Eroberer nicht – berufen war. So dankte Karl Alkuin, der König dem Gelehrten – ein neugieriger, ein fragender und ein dankender König.



2

Das königliche Herrschaftszentrum
    er Königshof vereinte keineswegs bloß die Königsfamilie. Er war die Zentrale der Herrschaft und zunächst nicht ortsfest. An ihm versammelte sich, wer an der Königsherrschaft irgendwie partizipierendurfte. Hier tauschten sie sich aus. Gerüchte, Informationen und Wissen verbreiteten sich von hier aus, Intrigen wurden gesponnen. Von Zeit zu Zeit sah man sie alle, Petrus Pisanus, Paulus Diaconus, die Alkuin, Theodulf, Hildebald, Adalhard, Arn, Einhard, den jungen Hraban und wie sie alle hießen – würdige Geistliche und weltliche Große, gelegentlich freilich nur mit einem Unterkleid oder einem Lendentuch bekleidet im Bad. «Gerechter ist er als sie alle und mächtiger. Er zeichnet Herzöge und Grafen aus mit großer Huld» – so dichtete ein anonymer Epiker am Königshof[ 25 ]. Theodulf ließ die Herren und Damen im Jahr 796 in mehr oder weniger hierarchischer Ordnung auftreten: Erst den König, seine Söhne und Töchter, dann seine Gemahlin, dann den Kämmerer Meginfrid, den Erzbischof Hildebald, Alkuin, den Erzbischof Riculf, den Kanzler Ercambald, auch der auf seinen kurzen Beinchen ameisengleich umherwuselnde Einhard hörte sich erwähnt, verspottet wurde der
Scotulus
(Andreas), schließlich bedachte der Dichter den Seneschalk Audulf und den Mundschenk Eppinus mit einigen Versen[ 26 ]. Alt und jung, gepriesen, gehänselt und offen verhöhnt – vor den Ohren des Königs.
    Karls sog. Testament, das er im Jahr 811 aufsetzen ließ, mit dem er seine Schätze verteilte und das allein Einhard (c. 33) überlieferte, vielleicht auch aufgesetzt hatte, unterzeichneten elf Bischöfe, vier Äbte und fünfzehn Grafen, alle namentlich genannt – ein Stelldichein der vertrautesten der Vertrauten, darunter Hildebald von Köln, Riculf von Mainz, Arn von Salzburg, auch Theodulf von Orléans, Heito von Basel oder Fridugis, der Schüler und Nachfolger Alkuins als Abt von Tours; die Grafen führte der Pfalzgraf Wala an, Karls Vetter, zugegen waren auch Unruoch von Friaul, Gerold von der Ostmark, Bera von Barcelona und andere Angehörige der höchsten Adelsschicht des Reiches; Einhard selbst gehörte nicht dazu. Die Gelegenheit zur Unterfertigung bot wohl ein Hoftag in Aachen.
    Der Hof befand sich eben dort, wo der Herrscher weilte. Mit der Zeit lassen sich aus bestimmten Anlässen bevorzugt aufgesuchte Pfalzen erkennen, Winterpfalzen, Jagdpfalzen, Festtagspfalzen[ 27 ]. «Pfalz»,
Palatium publicum
konnte alles zugleich bezeichnen: dieVersammlung der Großen, den Hoftag, das gesamte Ensemble der Pfalzbauten und deren Einrichtungen, die in der Lage waren, den König und seine engere Familie mit ihrem Gefolge – Männer, Frauen und Kinder, Vasallen, Dienstpersonal, Knechte und Mägde – für einige Wochen zu versorgen, Werkstätten, Lagerhäuser und Scheunen, Ställe für Pferde, Kühe, Schweine und Zugochsen eingeschlossen[ 28 ]. Die unterentwickelte Infrastruktur des Landes und die daraus resultierenden Versorgungsschwierigkeiten verboten eine feste Residenz. Nur Ansätze dazu lassen sich erkennen. Worms oder Ingelheim, günstig am Rhein gelegen, wurden wiederholt aufgesucht[ 29 ]; doch zuletzt ragte Aachen heraus[ 30 ].
    33 Modell der Aachener Königspfalz
    Eine «Pfalz» –
domus
,
palatium
,
aula
,
curia regis
– war damit räumlich, personal, institutionell und kommunikativ zu verstehen; und sie machte – gleichsam paränetisch – die Herrscherdoktrin öffentlich. Sie war alles in einem: ein Ort,

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