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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Willem beiseite und trat auf den Fahrstuhl zu.
    »Mutter!«, rief Willem leise flehend, und »Frau Pfefferkorn!«, rief ich, und »Gnädige Fraa!«, rief die Maid hinter dem Pelzmantel, doch es half nichts. Die Fahrstuhltür schloss sich hinter dem Mutterdrachen. Arme Marie. So kurz vor einem Auftritt!
    Willem und ich waren allein.
    »Wie geht es dir?«, fragte ich ihn mit zitternder Stimme. Willem setzte sich auf ein Verweil-Sofa und fummelte an einem silbernen Aschenbecher herum. »Sie war schrecklich kratzbürstig!«, sagte er. Dabei hatte ich ihn gefragt, wie es ihm ging, nicht wie es Marie ging. Aber anscheinend definieren wir uns alle über Marie. Jeder Einzelne von uns.
    »Ihr hättet vielleicht nicht unangemeldet kommen sollen«, tröstete ich ihn vorsichtig. »Du weißt doch, Marie kurz vor einem Auftritt … und sie hat diesmal wirklich schreckliches Lampenfieber … seit sie mit diesem Psychologen arbeitet, wird es immer ärger mit ihren Panikattacken.«
    Ich zeigte Willem die Tabletten, er las den Beipackzettel und steckte sich dann ein Briefchen mit Pillen ein. »Die kann man ihr ja im Notfall noch schnell einflößen«, sagte er.
    »Was ist denn mit diesem … Pianisten?«, fragte Willem und guckte zum Fahrstuhl hinüber. »Korrepetitor«, verbesserte er sich dann, als ob das die Sache erträglicher für ihn mache.
    »Nichts! Gar nichts!«, beeilte ich mich zu sagen. »Marie sagt, Echtwein ist ein Waschlappen.«
    »Ein Waschlappen?«, Willem hörte auf, den Fahrstuhl anzustarren.
    »Ja! Eine halbe Portion! Ein Sockenanlasser und Feinrippträger«, steigerte ich mich in etwas hinein, das mir gar nicht zustand.
    Willem starrte mich an.
    »Sie sagt, Echtwein ist ein feiger Auswanderer!«, freute ich mich. Willem blickte mir nun direkt in die Augen. Was für ein Erfolg! Ich hatte die richtige Antwort gegeben!
    »Du meinst … sie … haben nichts mehr miteinander?«
    »Aber nein!«, rief ich. »Die doch nicht!«
    »Hat sie was mit … einem … anderen?!«
    Diese Frage konnte ich mit Sicherheit verneinen. Nicht mit einem anderen. Mit mehreren. Aber ich wusste, dass es jetzt nichts bringen würde, ihm das zu sagen. Willem stand auf und sah auf die Uhr. »Wo Mama nur bleibt?«
    Ich war schrecklich enttäuscht, dass Willem seine Aufmerksamkeit schon wieder von mir abwenden wollte. Damit er nicht etwa aufhören würde, mit mir zu sprechen, oder einfach wegginge, sagte ich, dass Marie natürlich den einen oder anderen Verehrer hier in Salzburg hätte, aber alles nur ganz kleine Fische, versteht sich! Willem setzte sich wieder hin. Wie ich ihn doch in der Hand hatte!
    »Karla! Du wolltest doch auf sie aufpassen!«
    Zögernd fuhr ich fort, unter den Salzburger Verehrern sei ja niemand Erwähnenswertes gewesen, bis auf …
    »Ja?», sagte Willem und sah mir direkt ins Gesicht.
    »Na ja«, erwiderte ich.
    »Jemand Bestimmtes?«, fragte Willem ängstlich.
    »Ach, es ist sicher nichts von Bedeutung«, sagte ich und kontrollierte meine Fingernägel im Schein der Tischlampe, »aber ich habe so den Eindruck, als hätte Marie nicht unwesentliches Interesse an …« Ich brach ab, weil ich eine kleine Knibbelarbeit an meinem Daumennagel vornehmen musste.
    »Karla!«, drängte Willem. Mir lief es kalt den Rücken runter. Wie er meinen Namen auszusprechen imstande war!
    »An wem hat sie Interesse?«, fragte Willem.
    »An Eugen Paterne«, sagte ich. Einmal musste er doch begreifen, dass seine Frau zu Höherem bestimmt war als zu einer bürgerlichen Ehe. »Aber keine Angst, Willem. Ich kann dich beruhigen. In diesem besonderen Falle liegt eine ganze andere Bindung vor als die, von der du ausgehst.«
    »Nämlich?«
    »Sie ist seine To…tal uninteressant jetzt.«
    Der Fahrstuhl hatte Frau Pfefferkorn ausgespuckt. Sie warf mir einen Drachenblick zu und spuckte Feuer. »Unglaublich! Hysterisch und arrogant! Panikattacke! Lampenfieber! Dass ich nicht lache! Völlig hysterisch! Hintern voll! Sonst nichts! Als wenn sie nicht schon genug Aufmerksamkeit von uns allen bekäme! Komm, Willem! Meines Bleibens ist hier nicht länger!«
    »Ja, aber …«, sagte Willem und erhob sich zögernd, »wohin gehen wir denn, Mama?«
    »In den Hirschen«, bestimmte Frau Pfefferkorn. »Da wohnen die besseren Leute, Eugen Paterne zum Beispiel!« Damit riss sie der Anmeldemaid ihren Pelzmantel vom Tresen. »Noch nicht mal eine anständige Garderobe gibt es hier!«
    »Wie gnädige Fraa määnen«, sagte die Maid verbindlich lächelnd.
    Ich stand steif und

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