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Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Karlas Umweg: Roman (German Edition)

Titel: Karlas Umweg: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Abend noch gegeben hat!«
    »Welche Handtasche hat Zurlinde mir gestern Abend noch gegeben?«, murmelte ich schlaftrunken.
    »Na, die grüne Handtasche, die ich gestern bei mir hatte. Ich habe sie in seinem … Besprechungszimmer … vergessen.«
    »Ach, das war es also, was er noch abgeben wollte«, sagte ich. »Und ich dachte schon, er müsste sich übergeben.«
    »Er hat meine Handtasche mit nach Hause genommen? Zu seiner Frau?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich müde und dachte nach: »Er faselte immer davon, dass er noch was abzugeben hätte, aber er hätte vergessen, um was es geht. Deine Handtasche hat er nicht erwähnt!«
    »Verdammter Mist«, sagte Marie. »Ich habe ihn gebeten, sie dir auf jeden Fall noch zu geben, weil Edwin sie nicht sehen sollte!«
    »Warum sollte Edwin deine Handtasche nicht sehen?«
    »Weil sie ein Geschenk von Heyko ist, verdammt!«, sagte Marie.
    »Und woran erkennt Edwin das?«
    »Heyko hatte seine Sekretärin beauftragt, sie zu kaufen. Die Sekretärin ist doch Edwins Geschiedene. Und die hatte einen Riesenspaß dran, Edwin diese Handtasche zu zeigen, und den Inhalt gleich dazu.«
    »Was war denn der Inhalt?«, fragte ich und setzte mich auf.
    Marie kicherte. »Na, was halt so in Handtaschen drin ist …«
    »Versteh ich alles nicht«, sagte ich. »Du kannst doch von deinem Vorgesetzten so viel Handtaschen und Kondome geschenkt bekommen, wie du willst. Was geht Edwin das an?«
    »Er macht mir Vorwürfe, dass er sich umsonst hat scheiden lassen«, erklärte Marie. »Ich musste ihm schwören, dass ich nicht mit Zurlinde schlafe.«
    »Warum hast du ihm das geschworen?«, fragte ich. »Das bringt dich doch nur in Schwierigkeiten!«
    »Weil er sich in der Tiefgarage das Leben nehmen wollte«, spielte Marie ihren letzten Trumpf aus. »Er sagte, wenn ich mit Zurlinde schlafe, dann lässt er seine Abgase heute Nacht in den Kastenwagen strömen und ist heute Morgen tot.«
    »Dann gäbe es ja in meinem Leben keinen Sinn mehr«, sagte ich. »Wegen dem Noten-Umblättern.«
    »Karla, du musst diese Tasche holen, und zwar bevor seine Frau etwas merkt.«
    »Echtweins Frau?«
    »Zurlindes Frau! Wenn sie die Tasche sieht mit den Kondomen drin …«
    Nach all der Zeit bei Marie hatte ich gelernt, wann man zwei Drittel von der Dramatik abstreichen konnte, aber jetzt wusste ich auch, dass es Zeit war, ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen.
    Ich erklärte mich bereit, die Tasche zu holen, wies sie aber fürsorglich darauf hin, dass Edwin ganz bestimmt von Zurlinde und ihr wüsste, da sie sich ja dauernd unter dem Jury-Tisch ans Knie fassten.
    »Ich dachte, das kann er nicht sehen, wenn er Klavier spielt«, sagte Marie. Dann gab sie mir zwanzig Mark für ein Taxi und rief noch hinter mir her: »Das Wichtigste ist, dass seine Frau nicht aufwacht!«
    »Weiß ich«, brummelte ich und machte mich ohne Frühstück auf den Weg.
    Bei Zurlinde öffnete niemand, so höflich und ausgiebig ich auch am selbst gezimmerten Gartentor läutete. Schließlich wagte ich mich unter das geöffnete Küchenfenster und rief: »Hallo?«
    »Ja, bitte?«, sagte eine Frauenstimme, ohne dass jemand am Fenster erschien. Ich hoffte, es war die Putzfrau. Marie hatte gesagt, Zurlinde hätte gesagt, dass Frau Zurlinde immer gern lange schläft und frühmorgens immer die Putzfrau kommt.
    »Guten Morgen, ich bitte die Störung zu entschuldigen«, fing ich an zu stammeln und hoffte, dass währenddessen die Putzfrau im Fenster erscheinen möge.
    »Ja und?«, fragte die Stimme. Ich hörte eine Kaffeemaschine aufgeräumt vor sich hin rülpsen.
    »Ähm, ich würde gern Herrn Professor Zurlinde einmal kurz sprechen«, sagte ich zu dem leeren Fenster.
    »Worum geht es bitte?«, fragte die Stimme und wurde etwas frostiger.
    »Das würde ich ihm gerne selbst sagen«, antwortete ich. Die Kaffeemaschine verschluckte sich fast vor Empörung und brodelte vor Hohngelächter.
    »Wer sind Sie bitte?«, sagte die Stimme eiskalt.
    Meine Furcht, dass es sich nicht um die Putzfrau handeln würde, nahm konkrete Formen an.
    »Karla Umweg«, sagte ich. »Bitte entschuldigen Sie die Störung!« Mir war es entsetzlich peinlich, morgens um zwanzig nach acht vor dem Küchenfenster der Professorengattin zu stehen und sie mit meinem Gefasel zu belästigen.
    »Muss ich Sie kennen?«, fragte die Gattinnenstimme drohend.
    »Nein, ich glaube nicht«, flüsterte ich matt. Gerade als ich wieder davonschleichen wollte, um hinter der Hecke in Tränen auszubrechen, erschien nun

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