Karlas Umweg: Roman (German Edition)
Urlaub, dabei war er auf einer Geschäftsreise gewesen! Ich bewunderte ihn, wie er da so schlank und lässig am Kofferband lehnte. Als er mich sah, fragte er mich als Erstes: »Wo ist Marie?«
Ich sagte, dass sie es unendlich bedauert hätte, nicht selbst kommen zu können, weil der stressige Beruf sie mal wieder abgehalten habe.
»Du hättest mich nicht extra abholen müssen«, sagte Willem.
»Ich habe es aber gern gemacht …«
Er schnappte sich mit sicherer Hand seine weiße Segeltuchtasche und wir gingen ins Parkhaus, wo ich seinen weißen Firmenwagen vorschriftsmäßig abgestellt hatte. Durch die Tür ließ er mich sogar vorgehen! Er schloss mir die Beifahrertür auf und ich warf mich langbeinig auf den Sitz. Als wir im Berufsverkehr standen, ließ seine angespannte Konzentration nach. Er begann ein Gespräch mit mir.
»Marie hat mir erzählt, dass du dein Herz verloren hast?«
Ich wurde knallrot. Zuerst konnte ich gar nichts sagen. Dann brachte ich schließlich heraus: »Woher weiß sie das?«
»Na, du hast doch den jungen Mann sogar zu uns nach Hause eingeladen.«
Ich schaute auf meine nervös verknoteten Finger. Dann lachte ich: »Ach, der Matthäus! Der hat nur bei mir gepennt, weil er zu besoffen war … den kennst du doch! Der hat früher für Echtwein geblättert!«
Willem wollte aber nicht über Echtwein sprechen und winkte ab. »Wer war denn der junge Mann im Matrosenanzug, der auf der Karnevalsfete so viel fotografiert hat? Marie hat mir von ihm erzählt.«
»Och, der«, sagte ich, nun wieder abwinkend. »Ein Freund meiner Schulzeit. Hat keinerlei Bedeutung, wirklich nicht.«
Willem heftete einen Augenblick lang seinen Blick nicht auf den Stadtverkehr, sondern auf mich.
»Marie findet, dass er gut zu dir passt.« Er lächelte mich freundlich an und schaute dann wieder nach vorn.
Mich überfiel ein eiskalter Schauer.
»Findet sie das wirklich?!«, fragte ich entsetzt.
»Du nicht?«
»Nein«, erwiderte ich und blickte dann stur geradeaus. Ich finde nämlich, dass Willem zu mir passt! Und ich zu ihm. Wenn er doch endlich darauf kommen würde!
Willem und ich haben dann noch so über dies und das geredet, aber er war merkwürdig zurückhaltend und sagte am Schluss, dass ich jetzt wohl besser mit Ludger Tennis spielen würde. Ich versicherte ihm, dass ich keinerlei Interesse an Ludger hätte, aber Willem lächelte taktvoll.
Abends haben er und Marie sehr feierlich zu zweit zu Abend gegessen, bei Kerzenschein und mit frischem Lachs. Ich war oben in meiner Mansarde und beobachtete den Kerzenschein unten an der Tanne. Bis zwei Uhr haben die beiden bei klassischer Musik aus der Stereoanlage Champagner getrunken, dann sind sie ins Schlafzimmer gegangen.
Ich sollte Ludger vielleicht mal schreiben.
Von einem Tag auf den anderen ist die Luft mild und weich, der Himmel zartblau, die Vögel zwitschern aus Leibeskräften und die Gärtner unten im Garten pflanzen Stiefmütterchen. Frau Krotoschyin hatte ein liebreizendes Frühlingskleidchen mit Erdbeeren drauf an, das sie vor Jahren selbst geschneidert hat. Da muss sie etwas schlanker gewesen sein, denn jetzt sehen die Erdbeeren aus wie Tomaten. Der Buggysack von Maximilian ist auf dem Sperrmüll gelandet und der Knabe selbst steckt in richtigen Spielhöschen. Ganz allerliebst! Er sagt jetzt »Mama«, allerdings hauptsächlich zu mir. Papa würde »ulkige Verwechslung« dazu sagen.
Er kann jetzt laufen, endlich. Also Max, nicht Papa. Allerdings tapert er überall hin, wo es für ihn gefährlich ist, und ich renne den ganzen Tag hinter ihm her. Wenn ich ihn aufhalten will, schlägt er mich. Manchmal wünsche ich mir die Zeiten zurück, wo ich ihn noch schleppen durfte. Aber sonst hab ich den dicken kleinen Schlappsack echt lieb. Stelle erstaunt fest, dass ich mich sehr an ihn gewöhnt habe. Könnte ihn mir aus meinem Leben nicht mehr wegdenken. Bin alleinerziehende Putzfrau. Stelle entsetzt fest, dass ich mich damit abgefunden habe! Muss Klavier üben.
Ludger hat angerufen! Ich war gleich am Telefon, weil ich als Einzige zu Hause war. Er hat ziemlich erfreut gesagt, dass die Bilder von Karneval fertig seien und wo denn Marie sei.
»Sie ist in der Stadt, Genaueres weiß ich nicht.« Ich kam mir vor wie eine graue Vorzimmermaus.
»Grüße sie ganz besonders herzlich von mir«, sagte Ludger. Dann ließ er sich zu der persönlichen Frage herab, wie es mir denn ginge.
»Meinst du mich?«, fragte ich gereizt zurück.
»Ja klar«, kam es verwundert aus
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