Karlebachs Vermaechtnis
mein Bauch wurde dicker und dicker, bis er platzte. Heilig war am ganzen Körper mit blauer Tinte besudelt und rannte schreiend aus dem Verlies. Ich löste lächelnd meine Fesseln, nähte meinen Bauch zu und setzte die Briefe, die wieder zu Papier geworden waren, zusammen.
Es dauerte eine Weile, bis ich wusste, wo ich mich befand. Das Badewasser war kalt geworden und mich fror. Ich hörte die sanfte Stimme von Simona, die zu telefonieren schien. Sie wünschte ihrem Gesprächspartner einen guten Rutsch und bedauerte, ihn nicht zu sehen. »Bussi, Bussi«, verabschiedete sie sich, »wir treffen uns bald.«
Ich hatte mich inzwischen abgetrocknet und angekleidet. Auf zu neuen Taten! Ich winkte meinem Spiegelbild zu und schritt ins Wohnzimmer.
»Auferstanden von den Toten?«, lachte Simona und küsste mich. »Wir müssen los!«
»Mit wem hast du denn gerade telefoniert?«
»Das möchtest du wohl gerne wissen!«
»Na ja …«, druckste ich.
»Mit Amacker.«
»Nein!«
»Du bist wohl eifersüchtig?« Simona rollte ihre Augen. »Es war mein kleiner Bruder, wenn es dich beruhigt.« Sie drückte mir eine Schüssel mit Salat in die Hand. »Können wir mit deinem Wagen fahren? Meiner hat gerade eine Macke.«
Simona quetschte sich auf den Beifahrersitz, der sich nicht mehr verstellen ließ. »Das ist ja ein lustiges Auto«, lachte sie.
»Aber Automatikgetriebe!«, sagte ich stolz. Simonas älterer Bruder wohnte auf einem Hügel, in bester Wohnlage am Stadtrand. Die Fahrt verbrachten wir schweigend, weil ich mir für Heilig qualvolle Foltermethoden ausdachte. Auf kleiner Flamme rösten, lautete das Ergebnis meiner Überlegungen. Nicht gerade originell, aber wirkungsvoll.
»He, auf dieser Seite ist Halteverbot«, tadelte Simona, als wir unser Ziel erreicht hatten.
»Ja und? Es ist Silvester, da kontrolliert keiner.« Ich hatte wenig Lust, auf der abschüssigen Straße ein waghalsiges Einparkmanöver vorzuführen. »Unten an der Ecke steht auch ein Wagen.«
Simonas Bruder war Rechtsanwalt. Den Möbeln nach zu urteilen, hatte er den gleichen Innenarchitekten wie seine Schwester. Es waren schon ungefähr zwanzig Gäste anwesend, die meisten in Schlips und Anzug oder im kurzen Schwarzen.
»Du hast mir nichts von einer Schickifete gesagt«, raunte ich Simona zu. »Was soll ich hier?«
»Warte doch erst mal ab!« Sie verteilte eine Reihe von Bussis, ich schüttelte ein paar Hände und kam mir vor wie im Zoo.
Nach etwa einer dreiviertel Stunde Langeweile, in der sich Simona köstlich amüsierte, blickte ich aus dem Fenster. Ich meinte, das Flackern eines Blaulichts gesehen zu haben.
Mir rutschte das Sektglas aus der Hand. »Mein Auto ist weg«, brüllte ich und stürzte aus der Wohnung. Auf der Straße gestikulierten zwei ratlose Polizisten.
»Wissen Sie zufällig, ob hier jemandem ein alter Renault, Farbe feuerrot, amtliches Kennzeichen …«
»Das ist meiner«, unterbrach ich den Beamten. »Was ist passiert?«
Er Heß seinen Block sinken und deutete die Straße hinunter, die kurz vor einer Friedhofsmauer scharf nach links führte. An der Mauer klebten die Reste meines Florians. Ich rannte die Straße hinab.
»Da ist nichts mehr zu machen«, sagte ein Polizeibeamter, der den Schrotthaufen fachmännisch begutachtete. »Mein Florian«, jammerte ich. Simona, die inzwischen nachgeeilt war, schloss mich in ihre Arme. Ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten.
»Wir müssen den Wagen abtransportieren lassen«, sagte der Polizist. »Er blockiert die Straße. Haben Sie irgendwelche Wertsachen drin?« Ich schüttelte den Kopf.
»Wir müssen dann noch das Protokoll aufnehmen. Sie haben wahrscheinlich vergessen, die Handbremse anzuziehen. Und den Gang nicht rausgenommen.«
Simonas Bruder bat die Beamten in seine Wohnung. Von Simona gestützt, durchquerte ich das Meer der feixenden Schaulustigen.
»Ich kann nicht vergessen haben, die Handbremse anzuziehen!« versuchte ich dem Beamten zu erklären. »Das mache ich nie. Der Wagen hat ein Automatikgetriebe.« Der Beamte strich über seine Glatze und verstand nichts. »Ich schiebe den Hebel in die Stellung P«, erklärte ich ihm, »dann bleibt der Wagen stehen. Und rollt nicht weg! Egal wie steil es ist.«
»Sie meinen …?« Der Polizist schien langsam zu begreifen. »Genau! Es muss jemand den Hebel auf N geschoben haben, und der Wagen ist losgerollt. Wegen dem Halteverbot stand ja kein anderes Auto auf dieser Seite.«
»Wer sollte denn Interesse daran haben, eine solche
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