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Karlebachs Vermaechtnis

Karlebachs Vermaechtnis

Titel: Karlebachs Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe von Seltmann
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von seinem Block. »Der war mir noch einen Gefallen schuldig. Und jetzt gib der Kleinen ein Interview. Aber erwähn keine Namen! Kein Wort vom Judenhaus! Denk dir ein schönes Märchen aus. Und steck ihr den Zettel zu und die Nummer von Simona.« Ich wusste immer noch nicht, was Helmut vor hatte, aber hielt mich an seine Anweisungen. Ich erzählte der Praktikantin eine haarsträubende Geschichte, dass mich die Strohmänner von einigen wichtigen Leuten verfolgten, dass ich in Lebensgefahr sei, dass ich bald zum Recherchieren ins Ausland reisen müsse usw.
    Ich hatte noch einen Kaffee getrunken und war gerade an meinen Schreibtisch zurückgekehrt, als Simona anrief. »Was ist los? Wie geht es dir?«, fragte sie aufgeregt. »Was soll schon los sein? Es ist Neujahr und mir dröhnt der Schädel. Same procedure us every year. «
    » Da hat eben eine Journalistin angerufen und wollte Informationen über den Unfall; sie sprach von einem Anschlag.«
    »Was hast du zu ihr gesagt?«
    »Dass ich nichts weiß und mir große Sorgen mache. Wann sehen wir uns? Kommst du heute Abend?«
    »Ich muss für einige Zeit abtauchen«, sagte ich betont kühl. »Ich melde mich.«
    Simona rief noch etwas ins Telefon, aber ich legte auf. »Du spielst deine Rolle perfekt«, nickte Helmut anerkennend.
    Am nächsten Morgen weckten mich meine Eltern in aller Herrgottsfrühe. Ich spürte, dass ein aufregender Tag bevorstand.
    »Ulrich, wir machen uns solche Sorgen um dich!« Meine Mutter war wieder den Tränen nahe. »Tagelang kommst du nicht nach Hause. Dann ruft ständig diese Frau Zorbas an. Was treibst du bloß?«
    »Ich glaube, du bist uns einiges an Rechenschaft schuldig«, unterstützte sie mein Vater. »Es ist nicht fair von dir, dass wir alles aus der Zeitung erfahren müssen.«
    »Jetzt lasst mich doch erst einmal wach werden«, stöhnte ich. Helmut hatte mir seinen alten Daimler geliehen, und ich war erst um drei Uhr ins Bett gekommen. Mein Vater reichte mir die Zeitung. Ich las den Aufmacher der ersten Lokalseite: »Anschlag auf Mitarbeiter? Junger Kollege recherchiert an brisanter Geschichte - Wagen in der Silvesternacht völlig zerstört.« Daneben ein großformatiges Foto von dem Schrotthaufen. Und ein Portrait von mir.
    »Das habe ich euch doch schon alles erzählt«, sagte ich. »Die Geschichte vom Judenhaus.«
    »Bist du wirklich in Gefahr?«, heulte meine Mutter. »Keine Panik«, beruhigte ich sie. »Was gibt’s zum Frühstück? Wenn jemand anruft«, schärfte ich meinen Eltern ein, »Ihr wisst nicht, wo ich bin. Klar? Kein Wort zu irgendwelchen Journalistenkollegen oder zur Polizei!« Sogar mein Vater nickte ohne Widerspruch. »Aber ihr notiert jeden Anrufer!« Sie nickten.
    »Ihr wisst nur das, was in der Zeitung steht! Kein Wort vom Judenhaus! Erklärt das auch meinem Bruder!«
    »Nicht nötig«, sagte er, als er in die Küche kam, »du brüllst so laut, dass bald die ganze Nachbarschaft Bescheid weiß!« In diesem Augenblick klingelte jemand an der Haustür. Meine Mutter zuckte zusammen und fasste ängstlich die Hand meines Vaters. Es läutete wieder, diesmal heftiger. Mein Bruder ging zur Tür. Wir hielten den Atem an und versuchten, einen Gesprächsfetzen aufzufassen. Dann kehrte mein Bruder zurück und setzte sich mit wichtiger Miene an den Tisch. Wir schauten ihn gespannt an. »Tante Emmi von Gegenüber«, sagte er. »Sie wollte wissen, ob wir schon die Zeitung gelesen haben. Ich hab nein gesagt und sie abgewimmelt. Was ist denn überhaupt los?«
    »Lies«, sagte mein Vater und reichte ihm die Zeitung. »Der Bruder!«, lachte mein Bruder. »Ich wusste gar nicht, dass er so intelligent gucken kann. Er wird noch zum Helden!«
    »Diese Frau Zorbas, deine gute Bekannte, wie das in der Zeitung steht, ist das deine Freundin?«, fragte meine Mutter.
    »Da darf ich nichts zu sagen«, wich ich aus. Das Telefon klingelte.
    »Ich geh schon«, sagte mein Bruder, »ihr macht ja bald in die Hose vor Angst.«
    »Jetzt wirst du wirklich berühmt«, grinste er bei seiner Rückkehr.
    »Das Fernsehen?«, fragte mein Vater. »Nein.« Mein Bruder machte eine Kunstpause. »Lebensmittel Wunderlich. Sie wollten wissen, ob das stimmt, was in der Zeitung steht.« Das Telefon läutete wieder.
    »Wem gehört denn dieser alte Daimler vor der Tür?«, fragte mein Vater.
    »Einem Kollegen«, antwortete ich, als mein Bruder ins Zimmer stürzte.
    »Pietsch persönlich«, flüsterte er. »Ich habe ihn kurz hingehalten.«
    »Stell den Apparat auf laut«,

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