Karlebachs Vermaechtnis
legte ihre Hand auf meinen Arm. »Hast du schon einmal bedient? Ich meine, kannst du Bier zapfen?« fch überlegte kurz. »Das ist kein Problem«, log ich. »Von Bier verstehe ich eine ganze Menge. Ich bin gewissermaßen Spezialist für die innere und äußere Anwendung von Bier.«
»Na, das ist doch prima. Dann meldest du dich heute Abend um neun in der Disco im Russischen Viertel. Mein Chef sucht eine Aushilfe.«
Leas Chef war ein Tyrann. Innerhalb von drei Stunden hatte er mich erst vom Bierzapfer zum Aushilfskellner und dann zum Geschirrspüler degradiert. Auch Lea war zornig auf mich.
»Du bist ein elender Lügner!« fauchte sie mich an. »Du hast noch nie in deinem Leben ein Bier gezapft. Wie steh ich jetzt da?«
»Lea, bitte …«, versuchte ich mich zu entschuldigen. »Du musst meine prekäre Situation verstehen. Dein Angebot war wie ein rettender Strohhalm.«
»Dann pass wenigstens in der Küche auf, dass du nicht noch mehr Schaden anrichtest!« Wütend stapfte sie davon. Jemand legte mir von hinten den Arm um meinen Bauch. Ich blickte in ein feixendes Gesicht. »Zahi!«, rief ich erfreut. »Was machst du denn hier?«
»Dasselbe wie du. Arbeiten. Als Küchenhilfe. Ohne Zweitjob kann ich nicht überleben.«
Um sechs Uhr in der Früh war endlich Feierabend. Ich war fix und fertig und sehnte mein Bett herbei. Der Chef hatte sich wieder beruhigt und nach ein paar guten Worten von Lea und Zahi erlaubte er mir, am nächsten Abend wiederzukommen.
»Lass uns noch einen Kaffee trinken«, schlug Zahi vor. »Ich kenne einen Araber in der Via Dolorosa, der hat schon geöffnet. Von dort hast du es nicht weit zu Ahmed.« Ich lehnte seinen Vorschlag strikt ab. »Bitte sei so gut!«, flehte Zahi. »Ich muss erst in drei Stunden auf der Arbeit sein. Was soll ich solange alleine machen?« Zahi redete so lange auf mich ein, bis ich widerwillig zustimmte.
Wir parkten seinen alten Peugeot vor dem Damaskustor und liefen den Rest des Weges zu Fuß. Ich war erstaunt, wie viele Menschen um diese Zeit schon unterwegs waren. »Wie geht es dir mit Fatma?« Ich hatte die Frage längst erwartet. »Ich habe gehört, du warst mit ihr auf dem Herodion.«
»Vor euch bleibt nichts verborgen«, sagte ich resignierend. Zahi grinste. »Wenn sie Yassir das Taxi wegnimmt, erwartest du, dass er schweigt?«
»Nein.«
»Yassir ist sehr böse auf dich.«
»Auf mich? Wieso auf mich? Ich kann doch nichts dafür, wenn …«
»Aber du«, fuhr Zahi dazwischen, »du warst dabei, als er in seiner Ehre gekränkt wurde. Und du bist Schuld …«
»Ihr spinnt doch, ihr Araber!«, entgegnete ich wütend. »Ihr mit eurer verdammten Ehre.«
Zahi funkelte mich zornig an. Am Nachbartisch wurden Einige unruhig. Ich beeilte mich, eine Entschuldigung zu finden. »Sei doch nicht beleidigt«, sagte ich besänftigend. »Ich werde Fatma nicht mehr wieder sehen. Ich werde hier meinen Auftrag erfüllen und dann das Land so schnell wie möglich verlassen.«
Zahis Zorn war verflogen. »Vielleicht interessiert es dich: Fatma hat am Mittwoch Geburtstag. Sie bereitet bestimmt eine kleine Feier vor. Und erwartet dich.«
»Nächste Woche bin ich am Mittelmeer. Da muss sie leider ohne mich feiern.«
25
Am Mittwochnachmittag saß ich am Strand von Tel Aviv, starrte aufs Meer und versuchte mich auf meine dritte Reisereportage für die Lokalpost zu konzentrieren. Mein Bericht über die christlichen Pilgerstätten in Bethlehem, Jerusalem und Galiläa war begeistert aufgenommen worden. Dass ich kaum eine der unzähligen Kirchen von innen gesehen hatte, war unbemerkt geblieben. Jetzt sollte ich noch eine Reportage über Tel Aviv, die pulsierende Metropole Israels, verfassen. Ich fand die Stadt charakterlos und langweilig, doch Stumpf hatte meinen Vorschlag, ein Portrait Jerusalems zu schreiben, auf ausdrücklichen Wunsch eines Anzeigenkunden abgelehnt, weil dieser eine Zweigstelle seines Reisebüros in Tel Aviv eröffnen wollte. Morgen früh sollte die Reportage spätestens bei der Lokalpost eingetroffen sein, und ich hatte noch nicht eine Zeile geschrieben. Ich wurde langsam nervös. Meine Probleme türmten sich wie ein Berg vor mir auf. Mein Geld würde noch für drei Tage reichen, die Batterie meines Laptops vielleicht noch für eine haibe Stunde. Und heute Abend feierte Fatma Franghi, die Perle Palästinas, ihren Geburtstag. Ich hatte alle meine arabischen Bekannten um Rat gefragt, ob ich fatma besuchen solle. Die Meinungen waren geteilt. Yassir, mit dem ich
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