Karlebachs Vermaechtnis
unterhielten. »Das ist die palästinensische Frauenbefreiungsorganisation«, raunte mir Yassir zu. »Sei vorsichtig!«
»Tanzen die alle so schön wie Fatma?«
»Sie tanzen ihren Männern auf dem Kopf herum.« Fatma, die unser Gespräch belauscht hatte, zog mich kopfschüttelnd von Yassir fort und stellte mich ihren Eltern und Brüdern vor. Die Brüder starrten mich feindselig an, aber ihr Vater nahm mich freundlich am Arm und sagte, er habe gehört, dass ich aus Deutschland sei. »Vielleicht können wir«, meinte er mit einem Hähnchenschenkel in der Hand, »miteinander ins Geschäft kommen.« Ohne meine Antwort abzuwarten, bedeutete er mir mitzukommen. Wir stiegen in einen Kellerraum hinab. Säckeweise Weihnachtskitsch! Sterne in allen Variationen, das Jesuskind in vielfältiger Gestalt, Ochs und Esel, Maria und Joseph, Krippen und Ställe, die drei Weisen aus dem Morgenland usw.
»Schauen Sie!« Abu Shaban drückte mir ein paar Figuren in die Hand. »Beste Verarbeitung. Holz aus uralten Olivenbäumen. Handgemacht. Meine Kunden weltweit sind sehr zufrieden.« Er stellte seinen Teller irgendwo in die Ecke. »Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich gebe Ihnen einen günstigen Preis und Sie nehmen so viel mit, wie sie können.«
Ich wollte nicht unhöflich sein und fragte daher erst einmal, in welcher Größenordnung er sich das Geschäft vorstelle.
»Vielleicht einige Zehntausend Schekel. Nur ein kleines Geschäft. Aber Kleinvieh macht auch Mist.« Ich griff in einen Sack mit Sternen und ließ sie mir durch die Finger gleiten. Was sollte ich mit dem Kitsch? »Sie können alles in Deutschland für viel Geld verkaufen«, sagte Abu Shaban. »Sie machen mindestens das Doppelte an Gewinn!«
»Und wo werde ich das Zeug wieder los?«
»Das Zeug!« Abu Shaban rollte mit den Augen. »Das ist kein Zeug. Das ist einzigartige Ware von bester Qualität aus dem Geburtsort von Jesus Christus, unserem Herrn und Heiland. Geschnitzt aus Holz, das der Herr vielleicht noch selber berührt hat. Das gehört in jedes christliche Haus!« Er raufte sich die Haare. »Ich sehe schon, Sie haben keine Phantasie. Gehen Sie auf die Weihnachtsmärkte! Veranstalten Sie Basare in den Kirchen! Machen Sie eine Tombola! Rühren Sie die Werbetrommel! Weihnachtskrippen aus dem Heiligen Land! Das Jesuskind! - das Original aus Bethlehem! Nur bei Ihnen erhältlich! Mit Echtheitszertifikat! Garantiert keine Fälschung! Die Leute werden Ihnen den Jesus aus den Händen reißen! Alles kein Problem, oder?«
»Und der Transport?«
»Überhaupt kein Problem!« Er warf zwei Säcke mit Sternen in die Höhe und fing sie wieder auf. »Im Flugzeug. Sie haben zwanzig Kilo frei. Zehn Kilo mehr, merkt keiner. Also dreißig Kilo. Das sind …« Er zählte seine Säcke. »Und wenn Fatma nach Europa fliegt, wieder zehn Säcke. Werden wir uns einig?«, fragte er mit ausgebreiteten Armen. Fatmas Ruf nach ihrem Vater ersparte mir eine Antwort. Ich war noch einmal davongekommen. Yassir, Zahi und Mustapha bestürmten mich mit Fragen, als ich ins Wohnzimmer zurückkehrte. »Was hat er gesagt? Wie war er zu dir? Was habt ihr geredet?«
»Nichts Wichtiges.«
»Was nichts Wichtiges! Ihr könnt euch doch nicht so lange über nichts Wichtiges unterhalten haben!«
»Er wollte mit mir ein Geschäft abschließen. Ich soll in Deutschland seinen Weihnachtskitsch verkaufen.«
»Gott ist groß!«, jubelte Mustapha. »Er hat dich als seinen Schwiegersohn akzeptiert!«
Doktor Naseer und Eli, die uns beobachtet hatten, zogen mich beiseite. »Ich sehe«, lachte Eli, »Sie sind schon heimisch geworden in unserem Land.«
Doktor Naseer drohte mit dem Zeigefinger. »Aber eines sage ich Ihnen: Entführen Sie mir Fatma nicht nach Deutschland. Ohne sie müsste ich meine Praxis schließen. Kein Mann ließe sich mehr von mir behandeln.«
»Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen«, sagte Eli später. Sein Jackett hing wie immer lässig über der Schulter. »Ich glaube, ich habe Ihnen an dem Abend, als sie bei mir zu Gast waren, zu viel zugemutet.«
»Ich habe es überlebt.«
»Und dann habe ich Sie auf dem Markt in diese Pepperoni beißen lassen.«
»Auch das habe ich überlebt.«
»Sie haben die Aufhahmeprüfung der Einwanderungsbehörde überstanden«, grinste er, wurde aber gleich wieder ernst.
»Wie verstehen Sie sich mit Schlomo Karlebach?«
»Ich denke, ich kann zufrieden sein. Er redet jetzt mit mir und erzählt viel. Leider sehen wir uns immer nur freitagvormittags in seinem
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