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Karlebachs Vermaechtnis

Karlebachs Vermaechtnis

Titel: Karlebachs Vermaechtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe von Seltmann
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mich wieder versöhnt hatte, Mustapha und Zahi waren dafür, Ahmed und zwei andere dagegen. Schließlich hatte ich Doktor Naseer angerufen, doch der hatte nur sibyllinisch geantwortet: »Es würde ihr sicher nicht schaden, mit Ihnen ein wenig Deutsch zu sprechen.«
    Minute um Minute verstrich. Ich hoffte auf ein Zeichen des Himmels und starrte aufs Meer hinaus. Die rot glühende Sonne versank langsam in den Fluten und erlosch. Urplötzlich zog ein Wind auf und ich begann zu frieren.
     
    »Yalla, yalla«, brüllte Yassir, als ich in Jerusalem aus dem Egged-Bus von Tel Aviv ausstieg. Er deutete auf seine Uhr. »Seit fünf Bussen warte ich auf dich. Und wer kommt nicht?«
    »Du bist ein echter Freund, Yassir!« Wir stürzten zu seinem Taxi.
    »fch wusste, dass du es nicht aushalten würdest«, sagte er und verfluchte im gleichen Augenblick einen Fußgänger, den er fast überfahren hätte. »Hinten liegt ein sauberes Hemd. Vom Bruder meiner Frau. Er hat deine Größe. Zieh dich im Wagen um!«
    Yassir brauste in einem Höllentempo durch den Jerusalemer Feierabendverkehr, überholte links und rechts, fluchte ohne Unterbrechung und fand dennoch Zeit, sich mit mir über Fatma zu unterhalten.
    »Es ist nicht nett von dir, dass du sie warten lässt«, tadelte er mich.
    »Wenn du weiter so fährst, wird sie für immer auf mich warten müssen«, presste ich mit geschlossenen Augen hervor. Meine Rechte hatte sich um den Türgriff verkrampft. »Seit zehn Tagen wartet sie auf dich!« Yassir machte eine Vollbremsung und drohte einem Busfahrer mit der Faust. »Warum hast du sie nicht besucht?«
    »Keine Zeit.«
    »Keine Zeit! Keine Zeit!«, schimpfte Yassir, während er eine Abkürzung über den Bürgersteig nahm. »Hast du ein Geschenk für sie besorgt?« fch schwieg betreten.
    »Ich weiß schon, du hattest keine Zeit, du brauchst gar nichts zu sagen.« Er griff mit seiner rechten Hand nach hinten und wühlte in einer Tasche. Dann zog er eine Schachtel hervor, die in rosa Glitzerpapier eingewickelt war, und drückte sie mir in die Hand. »Das ist ihr Lieblingsparfüm, das nimmt meine Frau auch. Das Geld gibst du mir später. Es hat zweihundert Schekel gekostet.«
    »Zweihundert Schekel?« Das war alles, was ich noch hatte. »Ist es dir zu billig?« Yassir raste mit quietschenden Reifen um eine Kurve. »Du weißt«, sagte er nach kurzem Schweigen, »wir alle lieben sie. Sie ist die Perle Palästinas.« Yassir überfuhr eine rote Ampel. »Aber kein arabischer Mann könnte mit ihr leben.«
    »Stopp!«, brüllte ich, »das ist eine Einbahnstraße!« Yassir schaute mich verständnislos an. »Ich weiß. Oder hältst du mich für blind?«
    »Nein«, murmelte ich.
    »Na also. Dann lenk bitte nicht vom Thema ab! Und zieh dich endlich um! Wir sind bald beim Checkpoint.« Ich quälte mich aus meiner Jacke und spannte alle Muskeln an, um mit dem Kopf nicht gegen das Seitenfenster oder das Wagendach zu schlagen.
    »Du kommst aus Europa«, dozierte Yassir. »Ihr europäischen Männer seid es gewohnt, dass euch die Frauen sagen, was ihr tun sollt. Ihr habt gelernt zu gehorchen. Wenn Fatma dir sagt, schreib das und das, schreibst du das und das. Wenn Fatma sagt: Mir ist kalt, ziehst du deine Jacke aus und holst dir eine Erkältung. Du könntest mit Fatma leben!«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Du stellst Fragen!« Yassir schüttelte seinen Kopf. »Ich will sagen: Keiner von uns hat etwas dagegen, wenn du sie heiratest!«
    Wir hatten den Checkpoint erreicht. Ein milchgesichtiger Soldat mit einzelnen Barthaaren über der Lippe schaute in den Wagen und ließ sich Yassirs Papiere zeigen. Dann blätterte er in meinem Pass und fragte, warum ich halb nackt in dem Wagen sitze.
    Yassir sagte etwas auf Hebräisch, woraufhin mich das Milchgesicht angewidert ansah und uns rasch durchwinkte. »Was hast du zu ihm gesagt?«
    Yassir verweigerte die Antwort und raste nach Bethlehem. Über der Stadt leuchtete ein heller Stern. Das Haus von Fatmas Eltern stand nicht weit von der Geburtskirche Jesu entfernt. Ihr Vater besaß einen kleinen Laden, in dem man das ganze Jahr über holzgeschnitzte Weihnachtsfiguren und anderen Kitsch kaufen konnte. Fatma begrüßte mich zurückhaltend, nahm meine Glückwünsche und das Geschenk entgegen und führte mich ins Wohnzimmer, in dem sich mindestens zwanzig Gäste drängelten. Ich erkannte Doktor Naseer und seine Frau, Eli Levy, Mustapha, Zahi und einige andere. Auf einem Sofa saßen vier Frauen, die sich angeregt

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