Karlo geht von Bord - Kriminalroman
Herz.
„Und?“
„Was, und?“
„Wie teuer?“
„Na ja. So zwischen fünf- und sechshundert Euro denke ich. Natürlich ebenfalls pro Flasche. Ich kann ja bei meinem Weinhändler in Fulda nachfragen.“
„Zwischen fünf- und sechshundert? Mein Gott.“ Jeannette zeigte aufs Telefon. „Kannst du gleich nachfragen?“
„Was nachfragen?“
„Na, was dieser Wein kostet! Ob deine Vermutung stimmt.“
Paul schaute auf die Uhr. „Ich müsste ihn privat anrufen.“
„Paul!“ Jeannette schaute flehentlich.
„Na gut. Weil du es bist. Gib bitte das Telefon rüber.“
Paul wählte. Lange musste er nicht warten, dann wurde abgehoben. Paul grüßte überschwänglich.
„Hallo, du Hüter der edlen Tropfen, wie geht’s? Hier ist Paul. Entschuldige, dass ich so spät noch störe. Ich habe eine ganz spezielle Frage. Ist ziemlich wichtig. Hast du eine ungefähre Ahnung, was ein Haut Brion, Jahrgang 1990 heutzutage kostet? Ich meine, wenn man ihn überhaupt irgendwo bekommt?“
Der Weinhändler war perplex.
„Na, das ist aber ein Riesenzufall. Wie kommst du denn ausgerechnet auf den Haut Brion? Gerade habe ich für einen Frankfurter Kunden sechs Flaschen besorgt und sie ihm zugeschickt. Das war gar nicht so einfach. Der Händler wollte eigentlich nur die Zwölferkiste verkaufen, ich konnte ihn dann doch noch überreden. Das war aber nicht billig, Paul. Ich habe dem Kunden 520 Euro pro Flasche berechnet. Warum fragst du?“
Paul ließ sich nichts anmerken.
„Erzähl ich dir ein anderes Mal. Ich wollte die nächste Woche sowieso vorbeikommen. Vielen Dank nochmal, bis nächste Woche.“
Jeannette saß auf ihrem Sofa wie ein Häufchen Elend. „Da haben wir innerhalb von drei Tagen zweitausend Euro versoffen? Was soll ich denn jetzt bloß machen?“
In diesem Moment klingelte das Telefon.
„Müller, hallo?“
„Hallo, Jeannette. Hier ist Uwe. Ich bin wieder im Lande, gerade angekommen und wollte nur mal hören, ob der Wein schon da ist. Müsste eigentlich, oder?“
Der Schreck fuhr Jeannette unmittelbar in den Bauch.
„Äh, nein, noch nicht.“
Der Kloß in ihrem Hals war unüberhörbar.
„Stimmt was nicht mit dir? Bist du krank?“
„Ach, Uwe, mir ist heute nicht gut.“
Das war nicht einmal gelogen. Jeannette fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. „Ich melde mich bei dir, sobald der Wein da ist. Kann ja jetzt nicht mehr lange dauern.“
Uwe Marks schien enttäuscht, gab sich aber zufrieden.
„Alles klar. Ruf mich an. Und vielen Dank, Jeannette.“
Dann legte er auf.
„Nichts zu danken“, seufzte die verzweifelte Frau in die beendete Verbindung, „wirklich nichts zu danken.“
Eine Weile herrschte betretene Stille. Keiner traute sich, von dem teuren Wein zu trinken. Es war Jeannette selbst, die das Schweigen wieder brach. Sie hob ihr Glas.
„Na los doch. Jetzt ist sie schon offen. Runter mit dem Zeug. Mir scheint, ich habe noch ganz andere Probleme, oder?“
„Da hast du, verdammt nochmal, ganz schön recht.“
Pauls sonst eher sanfte Stimme klang ungewohnt rau.
Samstagmorgen, 17. September
10
Karlo konnte nicht behaupten, dass er gut geschlafen hatte. Die Sitzfläche von Gerris Sofa war weit entfernt vom orthopädischen Komfort einer Bandscheibenmatratze. Aber drei Tassen Kaffee hatten ihn von der Watte befreit, die nach dem Aufstehen in dicken Lagen um seinen Kopf gehüllt schien. Nun saß er in krummer Haltung vor dem Küchentisch und schaute die Pfütze auf dem Boden seiner Tasse an, als könne er die Lösung des Falles darin lesen.
Gerri war schon eine Stunde früher aufgestanden und hatte die Krankenhäuser abtelefoniert. Ohne Erfolg. Er schaute Karlo enttäuscht an und zuckte mit den Schultern.
„Nichts. Karl ist nicht aufzufinden. Er scheint nirgendwo eingeliefert worden zu sein. Hoffentlich ist da kein Blödsinn passiert. Was machen wir jetzt?“
Karlo trommelte nervös mit den Fingern auf dem Tisch.
„Ob ich wohl mein Handy einschalten kann? Vielleicht gibt’s irgendwelche Nachrichten für mich.“
„Würde ich nicht empfehlen. Nicht hier. Wäre blöd, wenn die Polizei tatsächlich versuchen würde …“
„Ja, ist ja schon gut. Dann lass uns ein Stück rausfahren und …“
Gerri hob die Hand.
„Einen Moment. Nur ein kleiner Versuch.“
Er suchte in der Liste seines Handys und drückte Karl Einsers eingespeicherte Nummer. Einen Moment lang ertönte das Freizeichen, dann wurde abgehoben.
„Hallo?“
„Karl?“
„Ja. Wer ist denn da?“
„Ich
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